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Auf der Suche nach Heimat in der realen und fiktiven Welt

Im Gespräch mit Gerd Hartmann, einem der beiden Leiter des Theaters Thikwa, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert

  • Lesedauer: 3 Min.

Herr Hartmann, das Inklusionstheater Thikwa in Kreuzberg feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Mit einem Festprogramm soll das Jubiläum von September bis Dezember gefeiert werden. Was ist alles geplant?

Das Festprogramm ist ein Querschnitt unseres bunten und vielfältigen Ansatzes als inklusives Theater. Diejenigen, die uns bereits kennen, können uns wiederentdecken. Diejenigen, die noch nicht in unserem Haus zu Gast waren, können uns kennenlernen. Wir sind ein sehr experimentierfreudiges Ensemble und wir versuchen, die besonderen Fähigkeiten unserer behinderten sowie nicht behinderten Kollegen ganzheitlich zu nutzen. Ich möchte nicht zu viel verraten. Nur so viel: In unseren sechs Produktionen werden wir uns thematisch mit Fragen von Heimat, ungewöhnlichen Weltanschauungen und realen versus fiktionalen Welten auseinandersetzen.

Zur Person

Das inklusive Theater Thikwa feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Gerd Hartmann leitet es seit 2012 zusammen mit Nicole Hummel. Der 59-Jährige engagiert sich seit 1993 in der Spielstätte und führt Regie bei »Homescape - Thikwas Zeltstadt«, einem Stück zum Jubiläum, das am 31. August Premiere hat. Mit Gerd Hartmann sprach für »nd« Jérôme Lombard.

Das Motto des Festprogramms lautet »Bereichert Euch!«. Wer soll sich woran bereichern?

Das Motto ist natürlich sehr provokant formuliert und das mit Absicht. Der Spruch erinnert ein bisschen an die Proteste gegen die Bankenkrise vor ein paar Jahren. Wir spielen hier bewusst mit dem Bild des finanziellen Reichtums. Im Kern geht es aber um die persönlich bereichernde Erfahrung, die ein Besuch im Thikwa mit sich bringt. Wir haben ganz besondere Performer, die dem Zuschauer neue Weltsichten und Eindrücke vermitteln und näher bringen werden. Der Besucher wird angerührt. Grenzen werden gesprengt. Wer offen ist, bereichert sich selber.

Zum Auftakt wird die Performance-Show »Homescape - Thikwas Zeltstadt« als Premiere gezeigt. Sie führen Co-Regie. Was erwartet den Besucher?

Das gesamte Thikwa-Ensemble wird erstmals zusammen auf der Bühne stehen. Dafür verwandelt sich das Theater in eine Zeltstadt. Der Besucher kann sich das Stück erwandern und geht von einem Zelt zum nächsten. Die einzelnen Performences laufen parallel. Der Besucher ist nicht bloß passiver Zuschauer, sondern aktiver Teil der Szenerie. Das Konzept ist ideal, um viele Schauspieler einzubeziehen. Was ist Heimat? Was ist Heimatverlust? Das sind die beiden beherrschenden Themen der Inszenierung. Auch die Problematik der Flucht wird thematisiert. Insbesondere für die Schauspieler mit Handicap war es spannend, sich mit der Flüchtlingsthematik auseinanderzusetzen.

1991 ist das Theater Thikwa als Pionierprojekt gestartet. Erstmals standen in Deutschland behinderte und nicht behinderte Künstler mit professionellem Anspruch gemeinsam auf der Bühne. Was hast sich seither bei dem Thema inklusives Theater getan?

Das Thikwa hat gezeigt, dass Menschen mit Handicap genauso wie jeder andere auch Kunst betreiben können. Von der ersten Produktion an haben wir versucht, auf einem hohen Niveau Theater zu spielen. Das ist uns gelungen und es ist eine Erfolgsgeschichte, dass wir heute eine etablierte Spielstätte in Berlin sind und unser Konzept mehrfach kopiert wurde. Inklusives Theater ist heute relativ selbstverständlich. Dass geistig behinderte Menschen Künstler sein können, stellt kaum jemand mehr infrage. Seitens der etablierten Kunst besteht ein überaus großes Interesse an gemeinsamen Projekten. Unser langfristiges Ziel, dass Behinderte ganz selbstverständlich Teil eines Theaterensembles sind und eine Mischung nichts Besonderes mehr ist, haben wir noch nicht erreicht. Es gilt, immer noch bestehende Vorbehalte abzubauen.

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