Erst hui, dann pfui... so klingt Metallica heute
Das neue Doppelalbum »Hardwired... To Self-Destruct« hat starke Songs zu bieten - überzeugen kann es trotzdem nicht
Iron Maiden und Metallica - das sind die Granden des Heavy Metal. Bands, die in Sachen Verkaufszahlen in einer Liga mit Justin Bieber und Madonna spielen. Bands, die Stadien füllen und mehr Fanartikel auf den Markt schmeißen, als Kim Kardashian Schuhe im heimischen Kleiderschrank hat. Bands, die Fans weltweit ausrasten lassen - so wie die Backstreet Boys vor gut 20 Jahren. Iron Maiden haben vor etwas mehr als einem Jahr ihr fulminantes Doppelabum »The Book of Souls« veröffentlicht - ihr 16. Studioalbum. Metallica tun es ihnen jetzt mit ihrem Doppeldecker »Hardwired... To Self-Destruct« gleich. Kurz nach Veröffentlichung hat das elfte Album der US-Amerikaner in 57 Ländern die Pole Position der Charts geentert. Well done, werden sich die Macher im Metallica-Management prostend zurufen. Vermutlich waren sie es auch, die das Model-Engagement mit dem Luxus-Label Brioni eingefädelt haben. Hat bestimmt eine hübsches Sümmchen eingebracht.
Satte acht Jahre seit der letzten Platte »Death Magnetic« hat die Fangemeinde auf das von Greg Fidelman produzierte Album warten müssen. Als dann vor Wochen der Veröffentlichungstermin fest stand und vorab einige Songs ins Netz gestellt wurden, fing die Debatte an: Taugt das auf zwei CDs gebrannte Stück Musik etwas? Die eingefleischte Metallica-Gemeinde wies die Meinung der Underground-Heads mit allen Mitteln zurück, die Band habe seit »... And Justice For All« (1988) kein vernünftiges Thrash-Metal-Album mehr geschrieben. Hört man sich »Hardwired... To Self-Destruct« an, so kann dieser Auffassung nur zugestimmt werden.
Das gilt aber nur für die Hälfte der Songs. Denn die zweite CD plätschert vor sich hin. Eine Ausnahme ist der letzte Song »Spit Out The Bone«. Eine Granate, die zu einer festen Größe im Live-Set der Kalifornier werden könnte. Der Rest ist Stangenware, die man auf dem Weg zum Supermarkt hören kann - wenn man sich den Einkaufszettel noch mal durch den Kopf gehen lässt. Zum wild durch die Wohnung Moschen taugt die Musik nicht.
Die erste Hälfte des zwölf Songs umfassenden Albums dagegen hat es in sich. »Hardwired«, »Atlas, Rise!«, »Moth Into Flame« und »Halo on Fire« sind Stücke, die es auch auf das Überwerk von Metallica »Master Of Puppets« (1986) geschafft hätten. Grandiose Gittarrenriffs treffen auf außergewöhnliche Melodien, die man seit Ewigkeiten von der Band nicht mehr gehört hat. Mal brettern James Hetfield und seine Mannen im Eiltempo durch die Botanik, mal grooven sie wie Pantera zu ihren besten Zeiten. Dazu Hetfields einzigartiger Gesang - Wahnsinn! Eine Manko haben aber auch diese Songs: Lars Ulrichs statisches Schlagzeugspiel. Anstatt sich zu brüsten, der Trommler der wohl erfolgreichsten Metal-Band des Planeten zu sein, sollte sich der gebürtige Däne mal wieder im Proberaum einschließen. Würde Metallica sichtlich gut tun.
Wäre »Hardwired... To Self-Destruct« ein Mini-Album mit sechs Songs geworden, wäre es sicherlich ein Anwärter auf die Thrash-Metal-Scheibe des Jahres. So aber versinken die knapp 80 Minuten im Mittelmaß. Metallica landen selbst hinter alten Rivalen aus heimischen Gefilden, die in diesem Jahr bessere Platten abgeliefert haben: Megadeths »Dystopia«, die von Metellicas Ex-Mitglied und Intimfeind Dave Mustaine angeführt werden, und »Brotherhood of the Snake« von Testament stechen »Hardwired... To Self-Destruct« aus. Verkaufstechnisch zwar nicht, dafür musikalisch. Selbst »For All Kings« von Anthrax ist mindestens ebenbürtig. Doch die großen Thrash-Bands der 1980er kommen allen zusammen nicht gegen das an, was sich seit Jahren im Underground tummelt. Die Genreplatte des Jahres hat auch dort das Licht der Welt erblickt: Es hört auf den Namen »Awakened From The Abyss« und kommt von Hellbringer. Sie klingt wie Slayer 1985. So muss Thrash-Metal. Punkt.
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