LINKE: Verfassungsschutz ist eine Sicherheitslücke
SPD und CDU fordern schärfere Sicherheitprüfungen beim Verfassungsschutz / Lischka kritisiert »massive Fehleinschätzung« im Fall des enttarnten Islamisten
Die innenpolitische Sprecherin der LINKEN Ulla Jelpke hat nach der Enttarnung eines Islamisten beim Verfassungsschutz die Behörde scharf kritisiert. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte sie »Ein nur durch Zufall enttarnter Dschihadist im deutschen Geheimdienst, systematische Zusammenarbeit mit Neonaziterrorgruppen - was soll noch alles ans Tageslicht kommen, bis dieses Amt endlich geschlossen wird?« Auf die Frage, ob der Verfassungsschutz eine Sicherheitslücke habe, sagte sie: »Der Inlandsgeheimdienst hat keine Sicherheitslücke, er ist eine.«
Jelpke verwies weiterhin auf möglicherweise fatale Sicherheitsprobleme, die durch die Unterwanderung entstanden sein könnten. Erst kürzlich habe Verfassungsschutz in einer Broschüre Flüchtlingshelfer vor vermeintlich extremistischen kurdischen Organisationen gewarnt, erklärte die Linken-Politikern. »Nach Bekanntwerden der Unterwanderung des Geheimdienstes durch mindestens einen Dschihadisten ist nicht auszuschließen, dass solche Maulwürfe direkt Daten über kurdische und linke Gegner der Dschihadisten weitergegeben haben«, warnte sie. Der Geheimdienst habe damit »einmal mehr bewiesen, dass er selbst eine Bedrohung und keinen Schutz für die verfassungsmäßigen Rechte der Bevölkerung« darstelle, so Jelpke.
Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka forderte unterdessen eine Reform der Sicherheitsüberprüfungen. Die derzeitige Praxis der Sicherheitsüberprüfungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz scheine »mehr als unzulänglich zu sein«, sagte der Abgeordnete der »Frankfurter Rundschau«. »Es stellt sich die Frage, wie es zu einer solch massiven Fehleinschätzung kommen konnte, obwohl der Beschuldigte angeblich vollständig sicherheitsüberprüft war.«
Die Sicherheitsüberprüfungen müssten nun »dringend auf den Prüfstand gestellt werden, da sie momentan zu schematisch angelegt zu sein scheinen«, forderte Lischka. »Ansonsten drohen uns Sicherheitslücken in hochsensiblen Bereichen.«
Ebenso kritisierte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic die Sicherheitsüberprüfungen beim Bundesamt. »Mich beunruhigt zutiefst, dass in einem so sicherheitssensiblen Bereich Mitarbeiter eingestellt werden, die möglicherweise Anschläge vorbereiten oder Planungen unterstützen«, sagte Mihalic den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Grünen verlangten eine »umfassende Rechenschaft über den Vorgang vom Präsidenten des Bundesamtes«.
Aus der CDU hieß es: »Künftig sollte ein Sicherheitscheck nicht nach mehreren Jahren, sondern künftig einmal im Jahr stattfinden«. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags, der CDU-Politiker Patrick Sensburg, sagte dem »Handelsblatt«, die Radikalisierungsphasen seien kürzer geworden. Daraus müssten für alle Sicherheitsbehörden Konsequenzen gezogen werden - für den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst (BND) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) ebenso wie für das Bundeskriminalamt (BKA) und die Polizei.
Der mutmaßliche Maulwurf war den Ermittlern zufolge seit dem vergangenen April als Quereinsteiger beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beschäftigt und dort mit der Beobachtung der gewaltbereiten salafistischen Szene betraut. Ihm wird vorgeworfen, sich im Internet gegenüber einem Chatpartner als Mitarbeiter des BfV offenbart und unter anderem Details zu Einsätzen mitgeteilt zu haben.
Laut Staatsanwaltschaft soll der Beschuldigte darüber hinaus dem Chatpartner vorgeschlagen haben, Gleichgesinnten Zugang zur BfV-Zentrale in Köln-Chorweiler für eine Gewalttat gegen »Ungläubige« zu ermöglichen, da dies »sicher im Sinne Allahs« sei und er »zu allem bereit sei, um den Brüdern zu helfen«. Der Mann flog auf, weil es sich bei seinem Chatpartner ebenfalls um einen BfV-Mitarbeiter handelte. Agenturen/nd
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