Shoah und Sex?

Personalie

Man ist etwas verwundert über die Bekanntgabe der neuen Personalie: Sybille Steinbacher übernimmt die bundesweit erste Holocaust-Professur an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität. Erstaunlich ist nicht die (Weg-)Berufung einer Professorin von der Universität Wien. Sondern, dass es einen solchen Lehrstuhl bis dato in der Bundesrepublik nicht gegeben haben soll. Trotz renommierter Holocaust-Forscher, von denen hier stellvertretend Wolfgang Benz, Julius H. Schoeps und Peter Steinbach sowie der in diesem Jahr verstorbene DDR-Historiker Kurt Pätzold genannt seien, die Standard setzende Editionen und Enzyklopädien über den millionenfachen Judenmord, über Verfolgung und Entrechtung, Deportationen, Ghettos und Vernichtungslager sowie jüdische Selbstbehauptung und Widerstand heraus gaben. Doch deren jeweilige institutionelle Anbindung firmierte halt unter anderem Label.

Die 1966 in München geborene Sybille Steinbacher, die in ihrer Geburtsstadt Geschichte und Politikwissenschaft studierte, hatte vor sechs Jahren bereits eine Gastprofessur an der Frankfurter Alma mater inne. Nun also kehrt sie - über die Umwege Warschau, Bochum, Jena und Wien - dorthin zurück. Ein Achtungszeichen setzte sie mit ihrem Band »›Musterstadt‹ Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien«, herausgegeben 1999 vom Münchener Instituts für Zeitgeschichte. In der Folge war sie Mitautorin bei Werken von Norbert Frei, seit 2005 Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sowie des israelischen Shoah-Forschers Saul Friedländer. Aus der Reihe ihrer Publikationen tanzt das Buch »Wie der Sex nach Deutschland kam«, in der sie geschlechtliche Emanzipation von Prüderie, falsch verstandener Sittlichkeit und scheinheiligem Anstand in der Bundesrepublik unter dem alternden Kanzler Adenauer und viele Jahre vor der sogenannten Sexuellen Revolution entdeckte.

Sybille Steinbacher tritt ihren im Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften angesiedelten Lehrstuhl am 1. Mai an.

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