Prinzip Selbstverteidigung
Der ehemalige VW-Chef Winterkorn bleibt bei seiner Darstellung: vom Abgasbetrug nichts gewusst
Seit seinem Rücktritt als VW-Konzernchef im September 2015 hatte sich Martin Winterkorn nicht mehr zum Abgasskandal geäußert. Bei seinem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages am Donnerstag stand er bereitwillig Rede und Antwort. Allzu viel Licht ins Dunkel brachte er freilich nicht.
Winterkorn versuchte in der gut anderthalbstündigen Befragung das in Medien gezeichnete Bild des arroganten, abgehobenen Managers, der keine Widerworte zulässt, zu zerstreuen. In leisem Ton, fast schon kleinlaut und bisweilen demütig antwortete der 69-Jährige auf die zahlreichen Fragen der Abgeordneten. In einer vorbereiteten Erklärung beteuerte er, unter seiner Führung habe es in Wolfsburg kein Schreckensregime gegeben. Er könne sich nicht vorstellen, dass jemand gescheut habe, ein offenes Wort an ihn zu richten. Damit ging er auf Vorwürfe ein, dass es seinem Führungsstil geschuldet sei, dass von den Manipulationen und Betrügereien nichts bis in die Vorstandsetage gedrungen sei.
Seine vorbereitete Rede klang wie die aufgewärmte Variante seiner Rücktrittserklärungen von September 2015, als der Betrugsskandal um manipulierte Abgaswerte in den USA publik wurde und VW in eine Krise stürzte, die der Konzern bis heute nicht überwunden hat. Zum Ausdruck brachte Winterkorn seine »Bestürzung darüber, dass wir Millionen Kunden getäuscht haben«. Dafür wolle er sich in aller Form entschuldigen. »Lückenlose Aufklärung ist das Gebot der Stunde.« Er frage sich schon, warum er nicht frühzeitig und eindeutig informiert wurde. Oder habe er »Signale überhört«?
Das war es dann aber auch schon mit Selbstkritik. Ansonsten setzte er auf das Prinzip Selbstverteidigung: Andere hätten die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen in der Steuerungssoftware von Motoren veranlasst. Ob er schon vor September 2015 Kenntnisse der Vorgänge in den USA erhalten habe, was Kronzeugen bei dortigen Verfahren behaupten? »Das ist nicht der Fall.«
Erstaunlich war diese Aussage schon, denn mehrmals rechtfertigte Winterkorn Nichtaussagen mit laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen ihn, in denen es genau um diese Frage geht, ob er nicht schon früher Bescheid wusste und sich deshalb der Marktmanipulation bei Wertpapieren schuldig gemacht habe, da er dies den Aktionären nicht mitgeteilt habe. Er hätte die Täuschung unterbunden, wenn er davon erfahren hätte, sagte er.
Natürlich wird dies erst im Laufe der juristischen Verfahren in den USA und in Deutschland zu klären sein. Doch wenn Winterkorns Darstellung korrekt ist, muss er sich die Frage gefallen lassen, wie es denn sein kann, dass er von derart massiven Verstößen nicht früher erfahren hat. Dies konnte der Manager mit seinen Aussagen aus Sicht mehrerer Parlamentarier nicht befriedigend erklären. Der Ex-VW-Chef räumte ein, dass er von Problemen in den USA schon früher wusste. Im März 2015 habe es dort einen »Recall« von 500 000 Fahrzeugen gegeben, bei denen es um die Verbesserung der Emissionswerte mittels Neukalibrierung bei Dieselmotoren der Modellreihe EA 189 gegangen sei. Das Thema wurde auch auf höchster Ebene bei einem Gespräch mit Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch behandelt. Das Thema sei für ihn damit aber erledigt gewesen, da die Rückrufaktion mit Kosten von 20 Millionen Euro recht unbedeutend gewesen sei.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Herbert Behrens, (LINKE), hält dies für »schwer nachvollziehbar«, wie er nach der Sitzung vor Journalisten sagte. Entweder sei der VW-Chef seinen Aufgaben nicht nachgekommen, was er sich bei der Person Winterkorn nicht vorstellen könne. Oder der Manager sei mit seinen Aussagen hinter dem zurückgeblieben, was er weiß.
Das gilt wohl auch für eine andere wichtige Frage: Winterkorn ist Ingenieur mit - nach eigener Aussage - »Liebe zum Detail«. Dennoch will er den Begriff Abschalteinrichtung »sicher nicht vor September 2015« zum ersten Mal gehört haben. Und das, obwohl schon 2007 die Nutzung dieser »Defeat Devices« in einer EU-Richtlinie geregelt wurde. Er sei damit nicht damit befasst gewesen, meinte Winterkorn. Genauso wenig wie mit dem lange bekannten Problem, dass die Emissionswerte bei Prüfstandmessungen und auf der Straße immer weiter auseinanderklaffen. Er könne sich nicht erinnern, dass die Emissionen gestiegen seien.
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