Vor vollen Tellern verhungern
Im Kino: Der Dokumentarfilm »Code of Survival« über Gentechnik
Ein optimistischer Slogan auf dem Plakat macht Mut: »Code of Survival« heißt der Film, und darüber steht: »Die Geschichte vom Ende der Gentechnik«. Der Film selbst trägt einen anderen Untertitel: »Code of Survival - zwischen Ohnmacht und Liebe«. Realistischer sicher für einen Dokumentarfilm, in dem es um Gentechnik geht und ihre potenziell verheerenden Wirkungen auf die Umwelt. Aber der Regisseur bleibt dennoch (verhalten?) optimistisch. Bertram Verhaag ist ein Veteran der Agitation im ökologischen Interesse und als Aufklärer ein Überzeugungstäter.
Verhaag spricht den Film selbst, mit sorgfältiger, etwas altväterlicher Diktion und ein paar persönlichen Worten zur eigenen Kindheit auf dem Bauernhof, seinem anfänglichen Zögern, als Nicht-Wissenschaftler Filme zu agrartechnischen Themen zu machen, und dem dann doch unvermeidlich werdenden Engagement, das schließlich zu einer ganzen Karriere im öko-dokumentarischen Bereich führte: »Code of Survival« ist sein zehnter Film zum Thema Raubbau an der Erde. Vor allem aber, eine wichtige Unterscheidung, ist »Code of Survival« ein zukunftsweisender Film darüber, wie man es besser machen kann. Dass die auswärtigen Zeitzeugen in schlechter Fernsehmanier deutsch übersprochen werden, ist aber weniger überzeugend.
In Indien, Ägypten und Deutschland fand Verhaag die nachhaltigen, »heilenden« Ansätze im Umgang mit Landwirtschaft und Boden. Und in den USA den flächendeckend angewandten, umweltzerstörenden Raubbau an der Natur mit gentechnisch veränderten Futterpflanzen für Tier und Mensch, massivem Pestizid-Einsatz - und massiv ansteigenden Pestizid-Resistenzen. In Mississippi kriegt ein Genmais-Großbauer zwar kurzzeitig das Heulen, als er vom Ackerbau zu Zeiten seines Vaters erzählt, mit Rhythmen und Methoden, die er selbst kaum noch kennt, die sein Sohn ganz sicher nicht erleben wird. Und schwärmt dann doch, wie das Gift, das er auf genmanipulierte Industriesaaten spritzt, so herrlich arbeitskräftesparend mit einem einzigen Hightech-Traktor auszubringen ist.
Die gruseligen Nebeneffekte von so viel Industriehörigkeit zeigt ein Landwirtschaftsberater in einem anderen Bundesstaat der USA: Unkraut, das resistent ist gegen just das Glyphosat, dessen Ausbringen die Genpflanzen erst richtig nutzbar macht. Und schon ist der Mais hin und das Feld kahl. Also wird mehr gespritzt und mehr und immer mal was anderes - die Bauern testen notgedrungen alles, was die Industrie ihnen anbietet. Und das Ergebnis landet auf dem Esstisch.
In Ägypten sind es mit Ibrahim Abouleish ein Alternativer Nobelpreisträger und seine Familie, die mit dem »Urbarmachen« von Wüste das Gegenteil dessen betreiben, was da in Mississippi passiert. Das Ansetzen von Kompost mit den entsprechenden Mikrobenkulturen macht es möglich, im Winter konserviert in den Hörnern von toten Kühen - doch, doch, Kühe haben Hörner, wenn man sie lässt. Ganz viel Pioniergeist, biotechnisches Verständnis und ein bisschen Esoterik machen eine blühende Wüste offenbar tatsächlich möglich. Nach 37 Jahren produziert die Familie Demeter-Produkte en gros - und verkauft sie weitgehend lokal. Was im verhältnismäßig armen Ägypten geht, ist das Fazit, würde wohl auch in Ländern wie der Türkei, Südafrika oder Brasilien funktionieren.
Weil Verhaag den Öko-Einsatz von Prinz Charles schätzt, suchte er im indischen Darjeeling die Teeplantage auf, deren Tees man im Buckingham Palace genießt - nicht die offizielle Residenz des Prince of Wales, aber offenbar hat er seine Mutter vom Nutzen biodynamischen Teeanbaus überzeugen können. In Deutschlands Süden findet Verhaag einen dieser kernigen Ökobauern, die so voll von Einsicht und gesundem Menschenverstand sind, dass man sich fragt, warum überhaupt noch jemand anderes macht als ökologische Landwirtschaft. Jane Goodall und Vandana Shiva kommen zu Wort, hochverehrte Primatenforscherin die eine, Alternative Nobelpreisträgerin die andere, beide gern genutzt für solche Zwecke. Goodalls altersweise, abgeklärte Züge, ihre sanfte Nachdrücklichkeit machen aber auch Eindruck.
Und in Iowa fand Verhaag dann sogar innerhalb der USA ein positives Beispiel für verantwortungsbewusste Landwirtschaft: einen Biobauern, der erzählt, dass seine Kühe Genfutter stehen lassen, wenn sie gleichzeitig vollwertiges Biofutter angeboten bekommen. Wenn die mal nicht mehr Verstand haben als die meisten Konsumenten.
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