Die Küstenfischerei funkt SOS

Auf der Verbandsjahrestagung wird eine Neuaufstellung der Branche in Mecklenburg-Vorpommern gefordert

  • Martina Rathke, Negast
  • Lesedauer: 3 Min.

Angesichts der anhaltend sinkenden Zahl von Kutter- und Küstenfischern in Mecklenburg-Vorpommern hat der Landesverbandschef Günter Grothe einen Neuanfang gefordert.»Wir müssen uns einen Ruck geben«, sagte Grothe jetzt auf der Verbandsjahrestagung in Negast vor rund 50 Fischern. Grothe schlug die Schaffung einer landesweit operierenden Erzeugerorganisation vor, in der die Ostseefänge eingebracht und gemeinsam unter einheitlicher Marke vermarktet werden.

Von den mehr als 1000 Betrieben der Kutter- und Küstenfischerei zu Wendezeiten gibt es nach Angaben des Agrarministeriums nur noch 234. Allein im vergangenen Jahr gaben 22 Fischer das Handwerk auf. Aufgrund der Altersstruktur in der Fischerei - rund 30 Prozent der Küstenfischer sind älter als 60 Jahre - erwartet das Ministerium weitere Betriebsaufgaben in den kommenden Jahren.

Mit einer landesweit einheitlichen Erzeugerorganisation gebe es einen handlungsstarken Partner auch für die Politik, warb Grothe für den Zusammenschluss. »Niemand da draußen wird das Sterben der Betriebe aufhalten. Wir können uns nur selber helfen.« Der Verbandschef kritisierte auch die eigene Branche. Egoistische Vermarktungswege hätten zusätzlich die Preise verdorben. Vielfach würden Fischereibiologen als Feinde betrachtet.

Das Agrarministerium begrüßte die Vorschläge. »Setzen Sie sich zusammen, wie Sie die Fänge gemeinsam vermarkten können«, appellierte Agrarstaatssekretär Jürgen Buchwald an die Fischer. Das Ministerium habe Möglichkeiten, eine Neuausrichtung der Fischerei zu unterstützen. »Staatliche Hilfen machen aber nur Sinn, wenn sie Hilfe zur Selbsthilfe sind.«

Die Küstenfischer sind skeptisch, ob eine Direktvermarktung der Fänge so funktioniert wie bei den Binnenfischern, die damit höhere Erlöse erzielen. »Wir haben deutlich größere Fangmengen in der Küstenfischerei. Wir sind auf die industrielle Verarbeitung angewiesen«, schimpfte Fischer Thomas Brauns aus Freest. Der Vorschlag einer gemeinsamen Erzeugerorganisation wurde von den Fischern zurückhaltend aufgenommen.

Ihnen brannten andere Themen unter den Nägeln: Die Wissenschaftler des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) hatten kürzlich für 2018 eine Absenkung der Heringsquote in der westlichen Ostsee um 39 Prozent empfohlen. In diesem Jahr mussten die Fischer bereits eine 56-prozentige Senkung der Dorschquote hinnehmen. »Wir können nicht mehr planen«, kritisierte der Hiddenseer Fischer Steffen Schnorrenberg die drastischen Fangmengenschwankungen. Für die schlechte Heringslarvenproduktion, die nach Angaben des Thünen-Instituts für Ostseefischerei mitursächlich für die Absenkung der Heringsfangmengen ist, machen die Fischer vor allem die Kegelrobben verantwortlich. Deren Bestand ist in den letzten 15 Jahren auf über 100 Tiere im Greifswalder Bodden, der Kinderstube des westlichen Herings, gewachsen. Der Hering könne nicht mehr ungestört laichen, sagte Schnorrenberg. »Wenn Sie einen Fuchs im Hühnerstall haben, haben Sie am nächsten Morgen auch keine Eier.« Zudem sehen die Heringsfischer die MSC-Zertifizierung gefährdet. Das Öko-Siegel zertifiziert eine nachhaltige Fischerei und gesunde Bestände. Ohne MSC-Siegel ist der Hering in Deutschland kaum noch vermarktbar.

Der Fischereibiologe und Direktor des Thünen-Instituts, Christopher Zimmermann, machte den Fischern Mut. »Die immer mitschwingende Wahrnehmung, die Ostsee sei leergefischt, ist falsch.« Leider gehe es mit dem Westdorsch und dem Hering in der westlichen Ostsee gerade den beiden Beständen schlecht, von denen die Fischer in Mecklenburg-Vorpommern lebten. »Wir sollten uns bemühen, diese beiden Ausreißer gemeinsam in Griff zu bekommen«, verteidigte Zimmermann die Quotenkürzungen.

Nach Angaben des Agrarministeriums wurden 2016 mit einer Gesamtanlandemenge von 16 400 Tonnen Fisch aus der Kutter- und Küstenfischerei Erlöse von 10,26 Millionen Euro erzielt. Das waren knapp 0,7 Millionen Euro mehr als 2015. dpa/nd

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