Pistorius fordert Asyllager in Libyen
Mit Auffanglagern in Nordafrika will SPD-Politiker Italien entlasten
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat sich am Montag für Auffanglager in Libyen ausgesprochen. Gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« warnte er vor einem Kollaps Italiens und verwies auf die dort anstehenden Parlamentswahlen. Pistorius ist im SPD-Wahlkampfteam für das Thema Innere Sicherheit zuständig. Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte bereits vergangene Woche Hilfen für Italien gefordert und vor einer angeblich bevorstehenden Flüchtlingsbewegung nach Deutschland gewarnt.
Nach Pistorius Vorschlag könnten in Nordafrika Beamte der EU oder des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) Asylanträge vorläufig prüfen. Bei den Libyern soll der Wille zur Kooperation mit Geldzahlungen geweckt werden. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil betonte am Dienstag, das Asylrecht dürfe nicht »outgesourct« werden. Nach Pistorius Plan würden Migranten, die in Nordafrika einen positiven Bescheid erhalten, nach Europa gebracht, um dort abermals ein reguläres Asylverfahren zu durchlaufen.
Monatlich gelangen über Libyen zehntausende Migranten nach Europa. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte vergangene Woche den EU-Mitgliedsstaaten gedroht, notfalls ohne deren Zustimmung Auffanglager zu errichten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verhandelt seit längerem mit etlichen regionalen Machthabern im zerrütteten Wüstenstaat. Dabei geht es um ein Friedensabkommen, zugleich aber auch - wie ein im April öffentlich gewordenes EU-Papier dokumentiert - um die Errichtung von Auffanglagern. Im Januar hatte ein Drahtbericht des Auswärtigen Amtes für Aufregung gesorgt, in dem ein Diplomat von »KZ-ähnlichen Verhältnissen« in libyschen Flüchtlingslagern berichtete.
In der SPD sind von der EU errichtete Asylzentren umstritten. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte im Februar gefordert, im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge nach Nordafrika zurückzubringen. Außenminister Sigmar Gabriel lehnte den Vorstoß jedoch ab. Flüchtlingsabkommen mit instabilen Ländern wie Libyen seien unmöglich. Auch Martin Schulz hatte die Idee als nicht umsetzbar bezeichnet. flh
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.