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Zehntes Filmfestival der Menschenrechte startet in Nürnberg

Leben in Diktaturen, gefährliche Tendenzen in reichen Ländern - in der fränkischen Metropole sind 60 Werke aus aller Welt zu sehen

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war ein mutiger Schritt, denn Ulrich Maly war sich dabei in juristischer Hinsicht nicht siegessicher: Anfang des Monats verbot Nürnbergs SPD-Oberbürgermeister der AfD, bei einer Wahlkampfveranstaltung Alexander Gauland sprechen zu lassen. Vor Gericht scheiterte das Ansinnen dann auch. Begründet worden war es mit Gaulands Äußerung, die SPD-Ministerin Özoguz »in Anatolien entsorgen« zu wollen. Der Öffentlichkeit erklärte das Rathaus zudem, Nürnberg als »Stadt der Menschenrechte« müsse da ein Zeichen setzen.

Diesen Beinamen pflegen die Verantwortlichen in Politik und Kultur wegen der wichtigen Rolle der Stadt im Nationalsozialismus. So gibt es in Nürnberg das Mahnmal »Straße der Menschenrechte«, und alle zwei Jahre einen von einer prominent besetzten Jury vergebenen Menschenrechtspreis, der am vergangenen Sonntag erst an die anonyme syrische »Gruppe Caesar« verliehen wurde, die Tausende Fotos von getöteten Regimeopfern veröffentlicht hat. Und es gibt das nach eigenen Angaben größte und auch älteste Menschenrechtsfilmfestival in Deutschland, das am Mittwoch zum zehnten Mal beginnt.

Das Nuremberg International Human Rights Film Festival (NIHRFF) schreibt seinen Namen auf Englisch, denn es widmet sich - wie übrigens auch der Menschenrechtspreis - dem Ausland. Eine Woche lang laufen nun, oft in Anwesenheit der Filmschaffenden, rund 60 Filme von allen Kontinenten, davon acht im Wettbewerb und fünf als Sonderprogramm für Schulen. Veranstaltungsort ist vor allem das Künstlerhaus am Bahnhof. Am Dienstag werden der Haupt- und der Publikumspreis sowie der Preis einer Jugendjury verliehen.

Vier der Filme kandidieren für den erstmals vergebenen ANHAR-Preis. ANHAR ist ein arabisches Netzwerk für Menschenrechtsfilmfestivals. Das sich selbst als »das führende Kompetenzzentrum zum Thema Menschenrechte und Film in Deutschland« bezeichnende NIHRFF unterstützt ähnliche Veranstaltungen, Organisationen und Initiativen sowie Filmschaffende im Ausland und ist so auch »strategischer Partner und Mitglied« von ANHAR.

Um den neuen Preis bewerben sich gleichermaßen Spiel- und Dokumentarfilme, wie es der generellen Mischung bei diesem Festival entspricht. »Clash« spielt sich in einem Gefangenentransporter der ägyptischen Polizei ab, wo die gegensätzlichen Weltsichten der am Rande von Unruhen willkürlich Festgenommenen aufeinanderprallen. »Investigating Paradise« konfrontiert in Algerien junge Männer und kulturelle Akteure mit den von einem Hassprediger verbreiteten Vorstellungen vom Paradies für »heilige Krieger«, während »The War Show« die Proteste in Syrien 2011 bis 2013 und somit »den Wandel einer friedlichen Revolution hin zu einem Bürgerkrieg« zeigt.

Die acht Wettbewerbsfilme behandeln etwa die Sonora-Grenzwüste zwischen Mexiko und den USA, das Familienleben einer 14-Jährigen in Polen, die 2015 von Myanmar nach China geflohene Volksgruppe der Ta'ang und einen beliebten, aber verschwundenen indonesischen Dichter und Oppositionellen. Einige der anderen Filme hatten schon auf der Berlinale Erfolg.

Neben Werken über die Armen, Ausgebeuteten und Unterdrückten der Welt und historischen Werken, etwa über die Diktaturen in Chile und Portugal, bietet das NIHRFF auch Filme, die Entwicklungen in den reichen Ländern kritisieren. So stellt »Pre-Crime« Computersoftware vor, die anhand von biografischen Aspekten berechnen soll, wie wahrscheinlich bestimmte Menschen eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen.

Aber auch besondere Formate hat das Filmfestival zu bieten. »Storming Heaven« ist eine Aneinanderreihung von Archivmaterial über Straßenkämpfe, Streiks und Demonstrationen in Italien zwischen 1967 und 1977. Zwei andere Filme vereinen gespielte und dokumentarische Sequenzen. Einer von ihnen ist »Those who make Revolution halfway only dig their own Graves«, der mit experimentellen Mitteln den überraschend großen Protest weiterspinnt, den die Studierendenbewegung im kanadischen Bundesstaat Québec 2012 anzettelte. Der Kampf gegen die Erhöhung von Studiengebühren führte damals zu einer monatelangen Mobilisierung mit riesigen Demonstrationen und Ausschreitungen in den Straßen von Montréal. Der Film geht nun der Frage nach, wie die jungen Revolutionäre wohl weiter Aktivismus gegen den Kapitalismus gelebt haben könnten. Einer der beiden Regisseure wird am kommenden Mittwoch seine Stilmittel zur Erzeugung einer revolutionären Film-Atmosphäre erläutern.

Nuremberg International Human Rights Film Festival, 27.9. bis 4.10., verschiedene Spielstätten in Nürnberg. Programm und Eintrittspreise im Internet unter www.nihrff.de

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