Zweifel erst nach der Ehrung

Gedenkplatte für Auto-Union-Chef Carl Hahn sorgt in Chemnitz für Wirbel

  • Hendrik Lasch, Chemnitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei Audi wird die Verantwortung bei nur einem von drei Managern abgeladen. Richard Bruhn war in den NS-Jahren Vorstandschef der Auto-Union, des 1932 in Chemnitz gegründeten Vorläuferunternehmens. Als solcher, heißt es auf der Internetseite von Audi, trage er »die Verantwortung für den Einsatz von Zwangsarbeitern, KZ-Insassen und Kriegsgefangenen«. In der Biografie von Carl Hahn, der mit Bruhn im Führungstrio des Konzerns saß, spielt das Kapitel indes keine Rolle. Er sei, heißt es knapp, für den Vertrieb zuständig gewesen - und habe sich nach 1945 um den Wiederaufbau des Unternehmens in Ingolstadt verdient gemacht.

Wegen seiner Verdienste als Firmenlenker wird Hahn seit September in der Chemnitzer Innenstadt geehrt - mit einer Metallplatte auf dem lokalen »Walk of Fame«, den sich der Rotary Club der Stadt ausgedacht hat und auf dem mittlerweile 26 »große Chemnitzer« gewürdigt werden. Anwesend bei der Verlegung war auch ein Sohn des Geehrten: Carl H. Hahn, langjähriger Chef des VW-Konzerns, der heute unter anderem in Chemnitz ein Motorenwerk betreibt. Er habe eine »geschliffene Laudatio« gehalten, heißt es bei den Rotariern, die indes auch Misstöne einräumen. »Die Linke und ihr nahestehende Gruppierungen« hätten versucht, die Ehrung zu verhindern, und wollten die Platte wieder entfernen lassen.

Dafür gibt es gute Gründe, wie inzwischen wohl auch die Stadtverwaltung erkannt hat. Für Dienstag lädt Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) zu einer öffentlichen Diskussion. Zwei Historiker aus Chemnitz und Jena sollen zur Biografie Carl Hahns referieren; danach ist eine Debatte geplant. Diese soll dann »Bewertungsgrundlage für den Umgang mit der Tafel« sein, heißt es in der Einladung des Rathauses.

Wäre es nach dem NS-Opferverband VVN-BdA gegangen, hätte die Diskussion viel früher stattfinden sollen - und dazu führen müssen, dass die Tafel nicht verlegt wird. Die Ehrung sei »eine Schande für die Stadt Chemnitz«, schrieb Rainer Ritscher vom Vorstand des Verbands schon vor Wochen. Er erinnert daran, dass das von Hahn mit geleitete Unternehmen »märchenhafte Gewinne« durch die Kriegsproduktion und Ausbeutung von Arbeitssklaven erzielt habe, die auch in und um Chemnitz in großem Umfang stattgefunden habe. Verwiesen wird darauf, dass sich rund um Chemnitz mehrere Außenlager des KZ Flossenbürg befunden hätten: am Stammsitz in Siegmar-Schönau, zudem in Zwickau, Hohenstein-Ernstthal und Zschopau. Insgesamt seien in den Werken, die stark in der Rüstungsproduktion engagiert waren, 2420 KZ-Häftlinge und Tausende Fremdarbeiter sowie Kriegsgefangene tätig gewesen. Nähere Details zur »Offenlegung der Verbrechen der Auto-Union im Zweiten Weltkrieg« sollen mit einem Vortrag von Hans Brenner bekannt gemacht werden, der zu den Mitautoren des »Historischen Atlas Sachsen 1933 - 1945« gehört. Die Veranstaltung findet allerdings erst am 26. Januar 2018 statt.

Die Verwicklung der Auto-Union in die Kriegswirtschaft der Nazis war auch bereits Gegenstand einer 2014 erschienenen, über 500 Seiten starken Publikation, zu deren Autoren der Historiker Rudolf Boch von der TU Chemnitz gehört. Er hatte den Anteil von KZ-Häftlingen an der Belegschaft auf bis zu ein Sechstel beziffert. Boch und seinem Autorenkollegen wurde später vorgeworfen, ein zu mildes Licht auf die Firmengeschichte zu werfen. Doch selbst er kommt in einem Interview mit der »Freien Presse« zu der Einschätzung, die Ehrung Hahns werde man »rückgängig machen müssen«. Bei der Diskussionsveranstaltung am Dienstag ist Boch einer der beiden Referenten.

Beim Rotary Club will man indes von einem Zurückrudern nichts wissen. Auf der Internetseite »Große Chemnitzer« betont Präsident Michael Wagner trotzig, man ehre »nicht eine Firma, sondern einen Unternehmer, der neben allen anderen Verdiensten auch Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen hat«.

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