Prozess unter Beobachtung
Auch nach der Freilassung von Fabio werden Kritiker den G20-Prozess verfolgen
Unter lautem Applaus und ermunternden Zurufen zahlreicher ProzessbesucherInnen verließ Fabio V. etwas verlegen lächelnd nach der Verhandlung den Gerichtssaal in Hamburg und ging zügig ans Ende des Flurs. Dort nahm er seine aus Norditalien angereiste Mutter Jamila Baroni in die Arme. Gemeinsam mit ihr verließ Fabio V., umringt von Kamerateams des NDR, eines Privatsenders und des italienischen Fernsehens RAI, das Gerichtsgebäude. Bereits vor der Verhandlung war viel Italienisch zu hören gewesen, nicht nur unter den JournalistInnen, auch von linken Aktiven. Die hatten vor dem Gerichtsgebäude eine kleine Begrüßung improvisiert, es wurde mit Prosecco angestoßen, Jamila Baroni reichte ihrem Sohn Stücke von einem großen Kuchen. Trotz des nasskalten Wetters war es eine fröhliche Runde, es wurden Parolen gerufen, viel fotografiert und gefilmt. Denn es galt das Ende der mehr als viermonatigen Untersuchungshaft für Fabio V. zu feiern.
Zuvor hatte das Gericht entschieden, dass Fabio V. nach der bereits erfolgten Hinterlegung von 10 000 Euro Kaution nicht wieder in die Jugendhaftanstalt muss. Zum nächsten Gerichtstermin am 4. Dezember wird Fabio so nicht mehr aus der Haft vorgeführt, sondern aus der von seiner Mutter angemieteten Wohnung in Hamburg kommen.
Fabio V. bekam die Auflage, sich an drei Tagen in der Woche im Polizeikommissariat 25 in Groß Flottbek zu melden und in die von seiner Mutter in Hamburg angemietete Wohnung zu ziehen. Da die Verhandlung wegen der Hinterlegung der Kaution durch den Rechtsanwalt erst verspätet beginnen konnte, war davor Zeit für ein Gespräch. »Dies ist der einzige G20-Prozess, den wir beobachten, wir halten ihn für beispielhaft«, erklärte Michèle Winkler gegenüber »nd«. »Insbesondere die Vorverurteilung in der Begründung des Oberlandesgerichtes Hamburg für die Fortführung der Untersuchungshaft vom Juli sehen wir sehr kritisch«, so die Prozessbeobachterin für das Komitee für Grundrechte und Demokratie. »Die Formulierung, Fabio V. hätte ›schädliche Neigungen‹, stammt ja aus einem Paragrafen, der aus dem Nationalsozialismus kommt«, so Winkler. »Das gerät jetzt zu Recht in die Kritik.«
Ein Mitarbeiter des italienischen Konsulats aus Hannover beobachtet ebenfalls den Prozess, hat Fabio V. mehrmals in der Jugendstrafanstalt besucht, ihm Formulare übersetzt, damit er etwas beantragen kann im Gefängnisalltag. Konsul Giorgio Taborri erklärte letzte Woche gegenüber der norditalienischen Zeitung »Corriere delle Alpi«: »Wir beobachten die Prozesstermine, sind in ständigem Kontakt mit der Familie und besuchen V. im Gefängnis.«
Der Konsulatsmitarbeiter erklärt auf Nachfrage, dass Fabio V. auch bald wieder in Italien erwartet werde. »Der Arbeitsplatz in der Plastikfabrik wird ihm freigehalten, so sagt es der Firmeninhaber.« Aber: »Ich habe ihm allerdings geraten, doch lieber erst einmal die Schule abzuschließen, bevor er wieder arbeitet.« Fabio habe erwidert, damit beschäftige er sich jetzt nicht, jetzt gehe es um den Prozess.
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