Massive Proteste bei Vereidigung in Wien

1500 Polizisten sichern den Regierungsantritt der Koalition der Konservativen und Rechten in Österreich

  • Leo Kühlberger, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Die bewegende Frage der österreichischen Innenpolitik in den letzten Wochen war nicht, ob die konservative ÖVP und die rechte FPÖ eine Koalition eingehen werden, sondern nur, bis wann sie eine neue Regierung präsentieren werden. Bei den Wahlen am 15. Oktober konnten die beiden Parteien mit Sebastian Kurz beziehungsweise Heinz Christian Strache an der Spitze deutlich zulegen. Am Ende der Verhandlungen hatte man es aber doch eilig. Das Kalkül, eine Vereidigung kurz vor den Weihnachtsferien könnte demobilisierend auf die bereits seit Wochen angekündigten Proteste wirken, begründete die Hast. Tief sitzen noch die Bilder, als die erste schwarz-blaue Regierung im Jahr 2000 aufgrund des massiven Widerstands unterirdisch in die Präsidentschaftskanzlei geleitet werden musste. Die juristischen Nachwehen aus dieser Zeit sind ein weiterer Grund für die Eile, denn letzte Woche hat auch der Prozess gegen Karl Heinz Grasser, den ehemaligen Finanzminister, begonnen, der wegen einer Reihe von Korruptionsfällen nun mit einigen (Partei-) Freunden vor Gericht steht und man negative Presse befürchtet.

Am Wochenende wurden das Regierungsprogramm und die Ressortverteilung veröffentlich. Darin findet sich alles, was das neoliberale Herz begehrt: Die Unternehmenssteuern sollen gesenkt und die Arbeitszeit auf zwölf Stunden am Tag beziehungsweise sechzig Stunden in der Woche erhöht werden. Die Mieten sollen durch eine Reform »marktkonform« gemacht werden. Die Einführung von Studiengebühren ist ebenfalls geplant. Erwerbslosen, Beziehern von Mindestsicherung und vor allem geflüchteten Menschen drohen weitere Kürzungen und Schikanen. Mit Hilfe der Kleinpartei NEOS soll eine »Schuldenbremse« in die Verfassung geschrieben werden, um die neoliberale Politik auf Dauer abzusichern.

Durchaus überraschend und für heftige Kritik sorgend ist, dass die Ministerien für Inneres, Äußeres und für Verteidigung an die FPÖ gehen werden. Der gesamte Sicherheitsapparat mit allen Nachrichtendiensten wird sich in Zukunft also in der Hand der Rechten befinden. Der designierte Innenminister Herbert Kickl, seit Jahren der Mastermind hinter den rassistischen Wahlkämpfen der FPÖ, ist in der rechtsradikalen Szene bestens vernetzt, was er erst vor einem Jahr durch seine Rede am Kongress »Verteidiger Europas« unter Beweis gestellt hat.

Und was macht das »andere Österreich«? Die SPÖ ringt um eine mehr oder weniger oppositionelle Positionierung, im Moment haben aber jene Kräfte Oberhand, die das Kunststück schaffen wollen noch weiter nach rechts zu rücken, als es die Partei in den letzten Jahren ohnehin bereits getan hat. »Die Grünen« sind erstmals seit 1986 nicht mehr im Nationalrat vertreten und in erster Linie damit beschäftigt, diese verheerende Niederlage politisch und auch finanziell zu verarbeiten. Der Österreichische Gewerkschaftsbund will trotz der bereits feststehenden Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit noch abwarten bis die Details dieser Vorhaben publik gemacht werden.

Nicht warten wollte jedoch die radikale Linke. Unmittelbar nach der Wahl hat sie begonnen für den »Tag X«, den Tag der Vereidigung, und gegen die »Normalisierung des Rechtsextremismus« zu mobilisieren. Im Laufe der letzten Wochen wurde dieser Aufruf von einer Vielzahl an anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Netzwerken aufgegriffen. Schon jetzt lässt sich sagen, dass der Protest in Österreich schon lange nicht mehr so vielfältig und spektrenübergreifend gewesen ist. Zwar ist man mit dem Wahlbündnis »KPÖ PLUS« bei den letzten Wahlen mit nur einem Prozent der Stimmen kläglich gescheitert. Aber vielleicht gelingt es den fortschrittlichen Kräften des Landes, in der Bewegung gegen diese Regierung ihre gesellschaftliche Marginalisierung zu überwinden. Im »Sommer der Migration« des Jahres 2015 bewiesen sie, dass sie gemeinsam handlungsfähig sein können, konnten danach dem gesellschaftlichen und parlamentarischen Rechtsruck aber nichts entgegen setzen. Die Proteste gegen die Vereidigung der Regierung sind jedenfalls nur der Anfang. Für den 13. Januar wird bundesweit nach Wien mobilisiert und es gibt Überlegungen für einen europäischen Aufruf im kommenden Jahr, denn Österreich wird im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft inne haben.

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