Ein Panafrikanist

Ulrich von der Heyden über Kwame Nkrumah

In den 1960er Jahren erschienen den meisten afrikanischen Intellektuellen und Regierungschefs die sozialistischen Staaten »als eindrucksvolle Vorbilder sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Kraftentfaltung und nicht zuletzt militärischer Potenz«, urteilte der Begründer der westdeutschen Afrikapolitikwissenschaft Franz Ansprenger. Als Gemeinsamkeiten der jungen Nationalstaaten gerade auch mit der DDR ergänzt Ulrich van der Heyden, der beim Nestor der ostdeutschen Afrikageschichtswissenschaft, Helmut Stoecker, in die Schule ging: Antikolonialismus, Antirassismus und Antiimperialismus. Die Solidarität der DDR war nicht nur in Geld zu messen, bestätigen noch heute viele Afrikaner. Freilich, als Gegenleistung erhoffte sich die DDR diplomatische Anerkennung.

Heyden, Jg. 1954, der habilitiert und (ein Unikat hierzulande) dreifacher Doktortitelträger ist (als Trotz gegen ignorante West-Abwickler), beschreibt in seinem neuen Buch, wie die Systemkonkurrenz, speziell zwischen beiden deutschen Staaten, auf dem »schwarzen Kontinent« ausgefochten wurde. Am Beispiel von Ghana. Drei Jahre vor dem »Afrikanischen Jahr« 1960, als 18 Kolonien unabhängig wurden, gründete sich in der einstigen britischen Kronkolonie »Goldküste« die Republik Ghana; erster Premier wurde der weit über Afrika hinaus bekannte charismatische Politiker Kwame Nkrumah. Schon die Einrichtung einer Handelsvertretung der DDR in Accra 1959 schreckte Bonn auf, das den »Alleinvertretungsanspruch« der Hallstein-Doktrin gefährdet sah. Noch mehr die Bemerkung Nkrumahs auf der Konferenz der Blockfreien 1961: »Jedermann weiß, dass es zwei Deutschlands gibt, entstanden als Ergebnis des letzten Krieges.« Und als Walter Ulbricht im März 1965 Ägypten besuchte, fragten Westdiplomaten bei Nkrumah argwöhnisch an, ob er ebenfalls eine Einladung des DDR-Staatschefs erwäge. Wenn ja, drohten Wirtschaftssanktionen.

Zur Anerkennung der DDR durch Ghana kam es erst zehn Jahre nach Nkrumahs Sturz 1966, der - so Heyden - eigenen politischen Fehlern geschuldet war. 1961 hatte jener noch die Ehrendoktorwürde der Ostberliner Humboldt-Universität erhalten, gegen eine zweite der Luther-Universität Halle/Wittenberg intrigierte Bonn erfolgreich. Wie das alles konkret ablief, schildert der Visiting Professor an der University of Pretoria und Privatdozent an der FU Berlin akribisch und aktengestützt. Ausführlich widmet er sich dem konträren Urteil in der DDR und BRD über den Panafrikanisten, der einen nichtkapitalistischen Entwicklungsweg beschreiten wollte. Wurde Nkrumah, dessen Buch »Afrika muß eins werden« 1965 in der DDR erschien, hier noch über seinen Tod 1972 hinaus geehrt, galt er in der BRD als »ein Eiferer und Phantast«. Indes: »Der Aufbau eines sozialistischen Ghana blieb eine Utopie, was man irgendwann auch in der DDR zur Kenntnis nahm.«

Ulrich van der Heyden: Kwame Nkrumah - Diktator oder Panafrikanist? WeltTrends, 86 S., br., 14,90 €.

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