Ein Geschichtszentrum für Prora
Mecklenburg-Vorpommern: Aufbau einer neuen Dauerausstellung rückt näher
Der Betrieb eines modernen Dokumentationszentrums zur NS- und DDR-Geschichte von Prora auf der Insel Rügen rückt näher. Eine am Dienstag in Stralsund vorgestellte Machbarkeitsstudie bescheinigt einem solchen Ausstellungs- und Bildungszentrum im Block 5 der einst von den Nationalsozialisten als »Seebad der 20 000« konzipierten Anlage einen wirtschaftlichen Betrieb. Vorausgesetzt werden dafür unter anderem ein hoher Fördersatz bei der Sanierung des entsprechenden Gebäudeteils sowie jährlich 55 000 bis 140 000 Besucher.
Prora sei eine Stätte von nationaler Bedeutung, sagte die Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Kerstin Kassner. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Sonja Steffen geht davon aus, dass sich der Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern an der Sanierung beteiligen. Vor dem Baustart - möglichst bis 2021 - müssten aber noch rechtliche Hürden ausgeräumt und die Finanzierung gesichert werden. Frühere Schätzungen gingen von Baukosten von fünf Millionen Euro aus. In Prora wollten die Nationalsozialisten ein gigantisches Seebad mit 20 000 Betten errichten, um die Bevölkerung im Erleben eines preiswerten Urlaubs an der Ostsee auf Systemtreue zu trimmen. Der 1936 begonnene Bau der 4,5 Kilometer langen Anlage wurde 1939 mit Kriegsausbruch gestoppt. Nach Kriegsende wurde das Gelände militärisch genutzt. Unter anderem waren dort mehr als 3000 Bausoldaten der NVA stationiert.
Nach der Wende entstanden zwei Ausstellungszentren: Das Dokumentationszentrum, das den Fokus auf die Sozialgeschichte des NS-Regimes legt, und das Prora-Zentrum mit dem Schwerpunkt DDR-Geschichte. Sie hatten im vergangenen Jahr den Dachverein Bildungs- und Dokumentationszentrum Prora gegründet, der nun die Studie erstellt hatte. Das Land steuerte dazu 6500 Euro bei.
Neben der NS- und DDR-Geschichte soll die neue Ausstellung auch die Aufarbeitung der Vergangenheit seit 1990 thematisieren. Für das Zentrum sind alle sechs Stockwerke im Mittelteil des 450 Meter langen Blockes 5 vorgesehen. Geplant sei zudem eine Dachterrasse, von der die gigantischen Ausmaße der Anlage erfasst werden können. Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, verglich die Anlage mit dem Reichparteitagsgelände in Nürnberg und der einstigen NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel, wo jeweils Dokumentationszentren betrieben werden. Ein solches Zentrum in Prora bringe nicht nur Mehrwert für Rügen und Mecklenburg-Vorpommern, sondern für Deutschland, sagte er. Das Interesse an der Geschichte sei groß.
Von den fünf komplett erhaltenen Blöcken der denkmalgeschützten Anlage hat der Bund seit 2006 vier Blöcke an Privatinvestoren verkauft. In ihnen entstanden bereits Hunderte Ferien-, Eigentums- und Mietwohnungen. Mit der Blocksanierung durch Privatinvestoren schossen die Immobilienpreise in die Höhe. Die Zukunft der Vereine war angesichts der steigenden Mieten ungewiss.
Der fünfte Block ist der letzte in öffentlicher Hand. Er gehört dem Landkreis Vorpommern-Rügen. In einem Drittel des 450 Meter langen Gebäudes ist seit 2011 eine Jugendherberge beheimatet, nachdem dieser Abschnitt für 16,4 Millionen Euro saniert worden war. Nun will sich der mit der Finanzierung einer Bildungsstätte überforderte Kreis von zwei Dritteln des Gebäudes trennen.
Der Mittelteil mit der neuen Ausstellung soll an einen Eigentümer gehen, der auch nach einem hohen Fördersatz öffentliche Unterstützung erhalten müsse, sagte Landrat Ralf Drescher (CDU). Gespräche dazu liefen, erklärte der Kommunalpolitiker, ohne nähere Angaben zu machen. Ein Drittel des Blockes will der Kreis an einen privaten Investor verkaufen.
Vor dem Verkauf muss allerdings der bestehende Erbpachtvertrag mit dem Deutschen Jugendherbergswerk geändert werden. Die Weichen will der Kreistag dafür im März stellen. Mit der Inbetriebnahme des neuen Zen-trums sollen beide Prora-Vereine miteinander verschmelzen. dpa/nd
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