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Irlands Abtreibungsverbot wackelt
Ministerpräsident Leo Varadkar kündigt ein Referendum im Frühjahr an. Das ist eine kleine Revolution
Bis zu 14 Jahre Gefängnis. Das ist die Höchststrafe, zu der eine Frau in Irland verurteilt werden kann, wenn sie eine Schwangerschaft abbricht. Auch ungewollte Schwangerschaften in Folge einer Vergewaltigung sind davon nicht ausgenommen. Und bis 2014 galt das Abtreibungsverbot selbst dann, wenn das Leben der Schwangeren bedroht oder sie selbstmordgefährdet war. In diesem Punkt wurde das Gesetz infolge mehrerer Todesfälle geändert, die auch über die irischen Grenzen hinaus für Wirbel gesorgt hatten. So wie dieser: Die 31-jährige Savita Halappanavar war 2012 in einem irischen Krankenhaus gestorben, nachdem Ärzte der in der 17. Woche schwangeren Frau mit Hinweis auf die Rechtslage eine Abtreibung verweigert hatten, obgleich die Fehlgeburt bereits eingesetzt hatte und das Leben der Frau gefährdet war.
Doch trotz der 2014 erfolgten Lockerung hat die katholisch geprägte irische Republik noch immer eines der strengsten Abtreibungsverbote in ganz Europa. Dies führt nicht nur zu Todesfällen wie dem genannten, sondern auch dazu, dass Tausende Irinnen jährlich ins Ausland reisen, um dort einen Abbruch vornehmen zu lassen.
Nun hat die Regierung beschlossen, ein Referendum über die Legalisierung von Abtreibungen abzuhalten - voraussichtlich im kommenden Mai. Das teilte der irische Ministerpräsident Leo Varadkar von der bürgerlich-liberalen Fine Gael nach einer Kabinettssitzung am Montagabend in Dublin mit. »Wir wissen, dass jedes Jahr Tausende irische Frauen für Abtreibungen ins Ausland gehen. Wir wissen, dass viele Frauen Abtreibungspillen per Post erhalten, um ihre Schwangerschaften zu beenden«, schrieb Varadkar im Kurznachrichtendienst Twitter. »Es gibt Abtreibung in Irland, aber sie ist nicht sicher, nicht geregelt und illegal.«
Ein Verfassungszusatz regelt, dass ungeborene Kinder in ihrem Recht auf Leben genauso geschützt sind wie ihre Mütter. Das Referendum soll über die Streichung dieses Zusatzes entscheiden. Das Parlament hätte dann die Möglichkeit, Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche zu legalisieren. Der UN-Menschenrechtsausschuss hatte schon 2016 das Abtreibungsverbot als Verstoß gegen internationale Menschenrechtsvereinbarungen kritisiert und die Regierung aufgefordert, es zu überarbeiten.
Die Chancen, dass mit dem Referendum ein Ende des Verbots eingeläutet wird, sind groß. Denn in der Bevölkerung wächst seit Langem der Wunsch nach einer Änderung der Situation. Laut einer Umfrage des irischen Meinungsforschungsinstitutes MRBI befürwortet eine Mehrheit der Iren die Legalisierung von Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche. 56 Prozent der Befragten sagten, sie würden für eine Lockerung votieren, 15 waren unentschieden, lediglich 29 Prozent sagten, sie seien gegen eine Änderung.
Warnungen kamen indes von den auf der Insel einflussreichen Bischöfen. Akzeptiere die Gesellschaft, dass ein Mensch das Recht habe, das Leben eines anderen zu beenden, sei es »nicht länger möglich, das Recht auf Leben als grundlegendes Menschenrecht für irgendjemanden zu beanspruchen«, warnte der Vorsitzende der Bioethik-Kommission der Irischen Bischofskonferenz, Bischof Kevin Doran, in einem am Wochenende veröffentlichten Hirtenbrief.
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