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Tong-il heißt Wiedervereinigung

Seit der Spaltung reißen die Bemühungen um Annäherung und Verständigung des geteilten Volkes nicht ab

In den vergangenen Jahren reisten Wissenschaftler und Journalisten aus der einstigen DDR auf die koranische Halbinsel - dorthin eingeladen, um über das Prozedere der deutschen »Vereinigung« zu berichten, über geglückte und missglückte Entscheidungen und deren Folgen. In ihrer Bilanz dürfte das Negativsaldo überwogen haben. Gewiss nicht zur Abschreckung der Koreaner, gleiches zu wagen, sondern weil Erfahrungen anderer durchaus vor eigenen Torheiten schützen können.

Seit den 1980er Jahren versuchen süd- und nordkoreanische Protestanten ins Gespräch miteinander zu kommen, was beiderseits verboten ist. Einer der Vorreiter war der vor vier Jahren verstorbene südkoreanische Pfarrer Hong Gün Su von der presbyterianischen Hyanglin-Kirche in Seoul. 1991 wurde er wegen Verstoßes gegen das »Gesetz zur nationalen Sicherheit« verhaftet, das Kontakte zu Nordkoreanern unter Strafe stellt und noch heute gültig ist.

Eines der eindrucksvollsten Exponate in der Ausstellung »Der Luthereffekt« in Berlin im vergangenen Jahr war eine Pinnwand, übersät mit Petitionskärtchen, auf denen Abrüstung und Aufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Nord- und Südkorea gefordert wurden. Nicht mehr und nicht weniger. Die Zettelchen zeugten von einer zivilgesellschaftlichen Kampagne 2013 in Südkorea. Deren Hintergrund war die damalige Verschärfung von UN-Sanktionen gegen Nordkorea wegen der von Kim Jong Un angekündigten Atomwaffentests, woraufhin der nordkoreanische Staatschef seinerseits den Waffenstillstandsvertrag aufzukündigen und das Kriegsrecht auszurufen drohte, ebenso die Schließung der Sonderwirtschaftszone Kaesŏng.

Ungeachtet stetiger Spannungen und Konfrontationen gab es immer wieder hoffnungsvolle Anzeichen sogar staatlicherseits zu einer Annäherung, etwa gemeinsame Deklarationen wie die Seouler Erklärung über Frieden auf der koreanischen Halbinsel im Oktober 2000, zu der es dank der »Sonnenscheinpolitik« des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung kam, der dafür mit den Friedensnobelpreis geehrt wurde. Im Gefolge durften sich erstmals Familien aus Nord- und Südkorea besuchen. Der Name »Sonnenscheinpolitik« leitet sich aus einer Fabel des antiken Dichters Aesops ab: Der kalte Nordwind versucht vergeblich, einem Menschen den Wintermantel auszuziehen; dem Sonnenschein gelingt dies hingegen leicht. Man könnte die »Sonnenscheinpolitik«, die von Kim Dae Jungs Nachfolger offiziell nicht beendet wurde, mit der Strategie »Wandel durch Annäherung« dereinst von Willy Brandt und Egon Bahr vergleichen.

Auch wenn die Olympischen Spiele sportliche Kontakte ermöglichen, werden wohl noch einige weitere Jahre auf dem Gipfel des Berges Seoraksan Menschen stehen und »Tong-il« (Wiedervereinigung) über die Grenze rufen. Und in naher Zukunft wird es sicher noch keine Einheitsfeier unter dem riesigen Monument für die Wiedervereinigung in Pjöngjang geben.

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