Zivilklausel vertieft die Gräben
Nordrhein-Westfalens bürgerliche Regierung bestätigt bildungspolitische Befürchtungen von Links
Im Landtagswahlkampf Nordrhein-Westfalens beherrschten Studiengebühren, Anwesenheitspflicht und die Ziviklausel die hochschulpolitischen Debatten. Nun werden die Pläne der Landesregierung aus CDU und FDP konkret. Am letzten Dienstag stellte die Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos), das Eckpunktepapier zur Änderung des Hochschulgesetzes vor. Das sieht unter anderem die Abschaffung des Verbotes von Anwesenheitspflichten und der Zivilklausel vor.
Die Studierenden sind alarmiert. »Wir sehen das höchst kritisch und fühlen uns im Stich gelassen, weil das über unsere Köpfe hinweg entschieden worden ist«, kritisiert Katrin Lögering, Sprecherin des Landes-ASten-Treffen (LAT), die Pläne. Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MKW) verweist auf ein Gespräch mit dem AStA der Universität Köln. Man habe auf eine Einladung des LAT NRW gewartet, die nicht erfolgt sei. »Dies nehmen wir zum Anlass, im Gegenzug, bei nächster Gelegenheit, die Vertreter der Landes-ASten zu uns ins Ministerium zu einem Gespräch einzuladen«, erklärt Pressesprecher Hermann Lamberty auf Anfrage. In einer E-Mail, die dem nd vorliegt, ist jedoch dokumentiert, dass Lögering am 11. November 2017 eine Einladung ans Ministerium verschickt hat, die unbeantwortet blieb.
Lamberty verteidigt die Pläne des Ministeriums zur Anwesenheitspflicht: »Die Ministerin hat mehrfach die Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen betont […] und hervorgehoben, dass die erfolgreiche Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen nur gemeinsam mit den Hochschulen - nicht aber gegen die Hochschulen oder über die Hochschulen hinweg - gelingen kann.« Kritik dafür gibt es von Matthias Bolte-Richter, wissenschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag: »Das ist ein Ausweis des Misstrauens. Studierende wissen sehr genau, wie sie ihr Lernziel erreichen.«
Ein weiterer Stein des Anstoßes: Bereits im November 2017 demonstrierten 300 Studierende gegen von der Landesregierung geplante Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer*innen. Das Vorhaben findet im Eckpunktepapier keine Erwähnung. Aber es ist nicht vom Tisch. »Die Ministerin hat mehrfach vorgetragen, dass wir die Erfahrungen in Baden-Württemberg berücksichtigen werden.«, erklärt Sprecher Lamberty. Belastbare Zahlen und Daten seien jedoch erst im Laufe des Jahres 2018 verfügbar. Und erst dann könnten Entscheidungen zum Thema Studiengebühren getroffen werden. Dass die Landesregierung das Vorhaben kippen könnte, hält Bolte-Richter für unwahrscheinlich: »Schwarz-Gelb hat nie gesagt dass sie das nicht mehr wollen. Die FDP will das, die Ministerin spielt auf Zeit.« Die Landesregierung habe bei dem Vorhaben allerdings wenig Unterstützung, meint Bolte-Richter. In verschiedenen großen Hochschulen, etwa in Münster und Köln, hatten die Senate Resolutionen gegen das Vorhaben verabschiedet. Lögering vom Landes-ASten-Treffen unterstützt das. »Wir lehnen alle Modelle von Studiengebühren ab und würden ein Verbot befürworten. Das diskutierte Modell ist das Schlechteste von allen, weil es eine schwache Gruppe noch weiter benachteiligt«, sagt sie.
Auch die Abschaffung der Zivilklausel ist höchst umstritten. Das Ministerium verweist auf die Friedensordnung des Grundgesetzes, die eine Zivilklausel im Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalens überflüssig mache. Dass es vermehrt zu Rüstungsforschungen kommen wird, stört das Ministerium nicht. Im Gegenteil: »Wie Sie wissen, erlaubt das Grundgesetz den Einsatz militärischer Mittel zur Landes- und Bündnisverteidigung, zur Abwehr einer drohenden Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie zur Durchführung sogenannter robuster friedensschaffender und -erhaltender Auslandseinsätze der Bundeswehr«, sagt Lamberty.
Bolte-Richter hofft auf die gesellschaftliche Stimmung. »Wir sagen, dass Forschung und Wissenschaft immer in einem gesellschaftlichen Kontext zu sehen ist. Es gibt keinen gesellschaftlichen Rückhalt, die Zivilklausel wieder abzuschaffen. Die bestehende Regelung drückt vor allem einen politischen und gesellschaftlichen Willen aus, dass Deutschland dem Frieden dienen muss«, meint er.
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