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- Sauerstoffmangel im Meer
Für Küstenfischer wird’s eng
Der Klimaforscher Andreas Oschlies warnt vor der Sauerstoffabnahme in den Weltmeeren
Der Nährstoffeintrag hat sich deutlich erhöht, vor allem durch das Bevölkerungswachstum. In China kommt viel über die Flüsse herein, in Deutschland stellen neben der Landwirtschaft vor allem die Autoabgase ein großes Problem dar: Die Stickoxide werden über das Meer geweht und regnen dort wieder ab und düngen so die Meere. Das führt in den Sommermonaten zu großen Algenblüten. Doch wenn die Algen absterben und in die Tiefe sinken, verbrauchen die Bakterien bei ihrem Abbau große Mengen Sauerstoff.
Andreas Oschlies ist Professor für Marine Geochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und an der Universität Kiel. Ingrid Wenzl sprach mit dem Geowissenschaftler über eine Anfang Januar in der Fachzeitschrift »Science« veröffentlichte Studie zur Sauerstoffabnahme in den Weltmeeren (doi: 10.1126/ science.aam7240), zu deren Autoren Oschlies gehört.
Foto: privat
Ein zweiter großer Aspekt, den wir in unserer Studie behandeln, ist die Klimaerwärmung. Diese wirkt zum einen direkt, denn wärmeres Wasser kann weniger Gas lösen als kälteres. Damit startet das Oberflächenwasser bereits mit einem niedrigeren Sauerstoffgehalt. Das weitaus größere Problem ist, dass sich das wärmere Wasser wie ein Deckel über tiefere Schichten legt. Indem die Schichtung stabiler wird, wird es schwerer, sauerstoffreiches Wasser in die Tiefe zu bekommen. Dadurch wird der Tiefenozean immer stärker isoliert und schlechter belüftet.
Wir messen außerdem in vielen Gebieten, dass sich die globale Ozeanzirkulation verlangsamt. Schuld daran ist dieser Deckeleffekt, aber auch der stärkere Eintrag von Süßwasser durch die Eisschmelze an den Polen. Weil es leichter ist als salziges Wasser, wirkt es ebenfalls wie ein Deckel. Wir vermuten, dass diese beiden Effekte zum Großteil die Sauerstoffabnahme im Ozean erklären.
Eine andere aktuelle Studie sieht den Sauerstoffmangel als Auslöser für das massenhafte Artensterben am Ende des Erdzeitalters Devon. Sehen Sie da Parallelen?
Das beschäftigt uns auch. Wir kennen zwar noch nicht die genauen Ursachen, aber wir sehen, dass bei allen bekannten großen Artensterben in der Erdgeschichte der Ozean sauerstoffarm war. Und das wirft natürlich Fragen für unsere Zukunft auf. Wenn der Ozean weiter in dem Tempo Sauerstoff verliert wie in den letzten 50 Jahren, wären in 2500 Jahren alle Ozeane sauerstoffarm - in der Erdgeschichte ein winziger Zeitschritt! Es werden natürlich lange vorher die fossilen Brennstoffe aufgebraucht sein, aber wir befürchten dennoch, dass der Sauerstoffgehalt signifikant abnehmen wird und sich damit viele marine Ökosysteme komplett verändern werden.
Die sauerstofffreien Gebiete sind heute noch relativ klein. Die sauerstoffarmen Flächen haben sich in den letzten 50 Jahren aber bereits um die Fläche der EU vergrößert! Die Fische merken, dass sie dort keine Luft mehr kriegen und können noch wegschwimmen, andere Lebewesen wie Seesterne oder Muscheln können das nicht und sterben, wenn ein Schwellenwert unterschritten wird.
Welche akuten Folgen haben diese Entwicklungen?
Vor allem trifft es ärmere Länder. Die großen Fischereigebiete befinden sich aktuell vor Mauretanien, Namibia und Peru: Durch aufsteigendes Tiefenwasser gelangen dort sehr viele Nährstoffe an die Oberfläche und sehr viel organisches Material sinkt hinab. Oft schon in zehn Metern Tiefe finden sich natürliche sauerstoffarme Gebiete und die dehnen sich weiter aus. Das ist für die Fischerei paradoxerweise erstmal positiv, denn dadurch werden die Fische an die Oberfläche gedrängt, und so können die Fischer sie leichter fangen.
Sobald aber der Fischlaich in sauerstoffarmes Wasser gerät, sterben die Eier ab und die Fischpopulation bricht zusammen. Große Einbußen werden Gesellschaften erleiden, die auch Krebse und Muscheln fangen, die nicht schnell genug vor einer Abnahme des Sauerstoffgehalts fliehen können. Es wird massive Verschiebungen geben. Heute schon sind viele Küstengewässer in China oder Südostasien umgekippt, so dass kleinere Fischereibetriebe nicht mehr existieren können.
Gibt es bereits Auswirkungen für die Menschen und an Land lebende Arten?
Zum einen brauchen wir Fisch für die Welternährung, zum anderen wirkt sich die veränderte Gaszusammensetzung der Ozeane auf die Atmosphäre aus. In den sauerstofffreien Gebieten bilden sich sehr starke Treibhausgase wie Lachgas oder Methan. Wir befürchten, dass die vergangenen großen Aussterbeereignisse teilweise auf Rückkopplungsmechanismen zurückgehen. Möglicherweise befinden wir uns auch heute schon wieder in einem solchen Teufelskreis von zunehmendem Treibhauseffekt und Sauerstoffabnahme im Ozean. Das beschäftigt uns umso mehr, weil die heutigen Klimamodelle die Sauerstoffabnahme noch nicht im vollen Ausmaß reproduzieren können: Danach sinkt der Sauerstoffgehalt um die Hälfte zu langsam, und wir wissen nicht warum. Damit sind aber auch alle Vorhersagen, die wir darüber und über die globale Erwärmung treffen, wackelig.
Umgekehrt versuchen wir mit unseren Klimamodellen die uns bekannten sauerstoffarmen Zeiten, wie etwa die im Devon, zu reproduzieren. Das ist ein guter Test für die Modelle und unser Verständnis. Mit der aktuellen Klimaerwärmung wird sich die Erde in den nächsten Jahrzehnten oder Jahrhunderten aus dem Zustand herausbewegen, wie wir ihn kennen. Aus menschlicher Sicht ist das Neuland. Da ist es gut, in die Vergangenheit zu gucken, um Analogien zu haben.
Was können wir denn tun, um ein Fortschreiten sauerstoffarmer Zonen im Ozean zu bremsen?
Wir müssen den Nährstoffeintrag über Flüsse, Grundwässer, Autoverkehr und Schiffsemissionen verringern und die Klimaerwärmung stoppen. Das geht nur durch eine drastische Reduktion von CO2. Da sind wir in Deutschland ganz schlecht dabei, indem wir nicht mal unsere sehr laschen selbstgesteckten Klimaziele einhalten! Wenn wir die Ökosysteme, die durch Sauerstoffmangel stark unter Druck geraten sind, erst einmal entlasten wollen, müssen wir außerdem über Fischerei und Tourismus Druck herausnehmen und sie zu Schutzgebieten erklären. Doch allein das wird uns nicht retten, wir müssen an die Ursachen ran!
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