Leihmütter nicht länger tabu
Öffentliche Meinung im Wandel: Franzosen sind offen für medizinische Hilfe beim Kinderwunsch lesbischer Paare
Mitte Januar haben sich in Frankreich »Generalstände zur Bioethik« konstituiert, in deren Rahmen Wissenschaftler, Mediziner, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft über neue Entwicklungen und Herausforderungen beraten, die sich aus dem Fortschritt von Wissenschaft und Medizin ergeben. Die Ergebnisse der Diskussionen sollen bis zum Sommer in einen Gesetzentwurf münden, der ab Herbst im Parlament beraten und Anfang nächsten Jahres verabschiedet werden soll.
Dabei geht es beispielsweise auch um den ethischen Einsatz künstlicher Intelligenz oder um Sterbehilfe, doch den breitesten Platz dürfte das Thema »medizinisch unterstützte Fortpflanzung« einnehmen, das in den letzten Jahren mit der Durchsetzung neuer Rechte für gleichgeschlechtliche Paare an Gewicht gewonnen hat. Das führte aber auch zu scharfen Auseinandersetzungen. Seit einem Gesetz von 1994 ist der Rückgriff auf die verschiedenen Methoden der künstlichen Befruchtung nur in medizinisch begründeten Fällen und nur für heterosexuelle Ehepaare möglich. Die Kosten werden von der Krankenkasse getragen.
Vor allem katholisch-konservative Kräfte laufen jetzt Sturm gegen die Absicht, die Möglichkeiten der modernen Medizin nicht nur für alleinstehende Frauen, sondern auch für lesbische Paare zu öffnen. Die Konservativen sind frustriert, dass sie trotz heftiger Debatten in den Medien und trotz massiver Demonstrationen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht aufhalten konnten. Präsident Emmanuel Macron und seine Bewegung »En marche«, die die Regierungsmehrheit stellt, zeigen sich dagegen aufgeschlossen und schließen nur den Rückgriff auf Leihmütter aus. Offen ist noch, ob und in welchem Umfang die Kosten auch für Homosexuelle von der Krankenkasse übernommen werden. Geklärt werden muss auch das Schicksal der jährlich mehr als 300 Kinder französischer Paare, die durch eine von ihnen privat bezahlte Leihmutter im Ausland ausgetragen wurden. Bislang werden diese Kinder von den französischen Behörden nicht anerkannt und sind somit staaten- und rechtlos.
Aus Anlass der »Bioethik-Generalstände« ließ die der katholischen Kirche nahestehende Zeitung »La Croix« (Das Kreuz) eine Umfrage durchführen, deren Ergebnisse für die Auftraggeber ernüchternd waren. Trotzdem wurden sie von dem Blatt breit wiedergegeben. Danach sprechen sich sechs von zehn Franzosen für eine Legalisierung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung auch für lesbische Paare aus. Das ist seit 1990 ein Sprung um 40 Prozent. Für alleinstehende Frauen wollen 57 Prozent der Franzosen diese Möglichkeit öffnen.
Doch das spektakulärste und für die um Ausgleich bemühte Regierung wohl problematischste Ergebnis der Umfrage ist die Antwort auf die Frage nach der Leihmutterschaft. Fast zwei Drittel der Franzosen wollen auch die legalisiert sehen. Dabei sind 18 Prozent für diese Möglichkeit unter allen Umständen, während 46 Prozent sie auf medizinisch begründete Fälle begrenzen wollen. Wie Jérôme Fourquet, Direktor des führenden französischen Umfrageinstituts IFOP dazu präzisiert, gibt es bei den Antworten »keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich des Alters oder der politischen Überzeugung der Befragten«. Seiner Überzeugung nach zeugt das von einer »flutwellenartigen Entwicklung der öffentlichen Meinung«. Aus der Umfrage ergibt sich außerdem, dass 90 Prozent der Franzosen dafür sind, dass Samen- und Ovarienspenden weiterhin kostenlos sind, und fast ebenso viele wollen auch, dass sie anonym bleiben. Zwei Drittel der Franzosen befürworten genetische Modifikationen des Embryos im Mutterleib, wenn dadurch »schwere Krankheiten oder Behinderungen abgewendet« werden können.
Zugleich sprechen sich in der »La Croix«-Umfrage 89 Prozent der befragten Franzosen dafür aus, die gesetzlichen Regeln für Sterbebegleitung »weiterzuentwickeln«. Dabei sind 47 Prozent für die Legalisierung der Sterbehilfe.
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