Ärger um Beirat für Islam-Institut

Geplantes neues Studienfach an der Humboldt-Universität sorgt noch vor Beginn für Kontroversen

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Wintersemester 2019/20 könnte es losgehen: Das Studium der muslimischen Theologie in der deutschen Hauptstadt geht an den Start. Zumindest ist der Vertrag für das geplante Islam-Institut an der Humboldt-Universität unterschriftsreif und soll zum 1. April 2018 unter Dach und Fach sein. Damit wäre Berlin der sechste deutsche Universitätsstandort für Islamische Theologie. Bislang kann man das Fach in Frankfurt am Main, Tübingen, Nürnberg-Erlangen, Osnabrück und Münster studieren. In Berlin will man aber als Beitrag zur innerislamischen Pluralität neue akademische Wege beschreiten.

»Das tun wir, indem wir zum ersten Mal Muslime sunnitischen und schiitischen Glaubens vereinen und zwingen, dass die künftig zu berufenden Hochschullehrer vergleichend arbeiten müssen«, erklärt Michael Borgolte, Gründungsbeauftragter des Instituts für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität.

Seltsam nur, dass etwa an evangelischen Fakultäten eine solche Vermischung der Konfessionen unüblich ist. In der Dogmatik wird zwischen lutherischen und reformierten Lehrstühlen unterschieden. Den Muslimen wird also abverlangt, was den Christen erspart bleibt.

Merkwürdig auch, dass sich der Gründungsbeauftragte Hilfe von dem Göttinger Staats- und Kirchenrechtler Hans Michael Heinig gesucht hat. Der gilt zwar als Koryphäe auf seinem Gebiet, ist gleichzeitig aber auch Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche Deutschlands.

Schreibt also nun die Evangelische Kirche in Deutschland zumindest indirekt vor, wie eine Islamische Theologie in Berlin auszusehen hat? Hans Michael Heinig weist jeden Verdacht weit von sich: »Das Kirchenrechtliche Institut der EKD war in den gesamten Prozess überhaupt nicht involviert, erst recht nicht andere Dienststellen oder Amtsträger der EKD.«

Doch davon abgesehen, ist die Verärgerung auch so schon groß. Im Beirat für das neue Berliner Islam-Institut sind bislang nur die deutsch-türkische Ditib, der Zentralrat der Muslime, der schiitische Dachverband, die Islamische Föderation und der Verband der islamischen Kulturzentren vorgesehen.

Damit seien aber nur konservative Verbände vertreten, die für einen deutschen Islam nicht repräsentativ seien, beschwert sich die liberale Muslimin und Imamin Seyran Ateş. »Wir haben hier einen Islam, der sehr stark vom Ausland finanziert wird.« So seien die ägyptischen Muslimbrüder, Saudi-Arabien, Katar, Iran und die Türkei in diesen Organisationen an vorderster Front vertreten. »Sie alle finanzieren in Deutschland einen fundamentalistischen Islam, einen konservativen Islam, und nur der wird akzeptiert«, kritisiert Ateş weiter. Dagegen würden andersdenkende Muslime unter Druck gesetzt. Ateş selber muss, seitdem sie in Moabit die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet hat, in ständiger Angst vor Übergriffen und unter Polizeischutz leben. Allerdings steht die Zusammensetzung des Beirates für das neue Berliner Islam-Institut noch nicht unwiderruflich fest. Tatsächlich stehe die Unterzeichnung des Vertrages geradezu auf der Kippe, verrät Gründungsbeauftragter Michael Borgolte. Der Zentralrat der Muslime habe Zustimmung signalisiert. Andere Organisationen wie die deutsch-türkische Ditib würden dem Vorhaben hingegen ablehnend gegenüberstehen.

»Die Vorbehalte sind begründet in der Zusammensetzung des Beirates, der nicht nur bestehen soll aus Vertretern der islamischen Verbände, sondern auch aus Hochschullehrern muslimischen Glaubens, die als Experten hinzugezogen werden«, erklärt Borgolte.

Für Kritik sorge beispielsweise die Frage einer Revisionsklausel. Diese würde die Zusammensetzung des Beirates regeln. Zudem sorgten die geplanten Regularien bei Abstimmungen für Ärger. Diese würden nach jetzigem Stand eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorsehen. Damit soll verhindert werden, dass eine Partei sich ohne Absprachen mit den anderen im Alleingang durchsetzen kann, sagt Borgolte.

Mit der drohenden Verweigerung einiger Islamverbände tut sich aber auch eine Lücke auf, die liberalere Gruppen füllen könnten. Sollte es bis zum 1. April zu keiner Vertragsunterzeichnung kommen, läge im zweiten Anlauf die Einladung der bisher nicht berücksichtigten Muslime in den Beirat nahe. Imamin Ateş hat da schon so eine Idee: »Dazu gehören Nord-Afrikaner, die Ahmadiyya-Gemeinde, dazu gehören liberale Stimmen wie der Bund der liberalen Muslime.« Auch das liberale Muslimische Forum gehöre in den Beirat. »Und wir gehören da rein«, sagt Ateş mit Blick auf ihre eigene Moscheegemeinde. Darüber hinaus dürften die Aleviten, die Bosnier, die Sufis bis hin zur nicht erst seit dem Putschversuch in der Türkei umstrittenen Gülen-Bewegung nicht unberücksichtigt bleiben. Aus Sicht von Ateş braucht es zudem eine ganz andere rechtliche Konstruktion für das künftige Berliner Islam-Institut.

»Deshalb würde ich nicht für einen Beirat, sondern eher für einen Rat der muslimischen Gemeinschaft aus zwölf bis 20 Mitgliedern plädieren«, fordert die liberale Muslimin.

Die Zahlen der Studierenden im Fach Islamische Theologie haben sich nach Angaben des Bundesbildungsministeriums positiv entwickelt. Seit dem Wintersemester 2016/17 sind mehr als 2000 Studierende in Bachelor- und Master-Studiengängen sowie in Lehramts-Studiengängen eingeschrieben.

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