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  • Debatte über Abtreibung im Bundestag

Sozialdemokraten wollen Abstimmung ohne Fraktionszwang

GroKo erarbeitet Gesetzentwurf zu Paragraf 219a / Opposition wirft Schwarz-Rot Verzögerungen vor

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Bundestagsdebatte um den Paragrafen 219a, der es ÄrztInnen verbietet, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben und diese öffentlich anzubieten, geht in die nächste Runde. Auf der einen Seite kritisieren Abgeordnete von Linkspartei, Grünen und FDP die Große Koalition für Verzögerungen der Strafrechtsreform. Auf der anderen Seite sprechen sich vermehrt Abgeordnete der SPD für eine Abstimmung ohne Koalitions- und Fraktionszwang im Bundestag aus.

Nach einer Debatte im Rechtsausschuss über eine Anhörung von ExpertInnen zum Werbeverbot für Abtreibungen echauffierte sich der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae: »Insbesondere die Union verschleppt eine öffentliche Anhörung, und die SPD folgt im Kadergehorsam.« Die Grünen hatten als Datum für die Anhörung den 16. April vorgeschlagen und für eine Abstimmung für dieses Datum plädiert. Doch für den Vorschlag gab es keine Mehrheit im Rechtsausschuss. Jetzt ist offen, wann die Anhörung stattfinden kann. An diesen Termin ist der weitere parlamentarische Verlauf der Gesetzentwürfe von LINKEN, Grünen und FDP gebunden. Diese wurden im Februar in erster Lesung debattiert. Nach der Anhörung muss es noch eine zweite Lesung geben, bevor es zu einer dritten Lesung und Abstimmung über die Gesetzentwürfe kommen kann.

SPD spricht von »unüblicher Kampfabstimmung«

Union und SPD seien im Rechtsausschuss nicht bereit gewesen, für die Anhörung ein Datum zu nennen, kritisierte auch der LINKEN-Abgeordnete Niema Movassat gegenüber »Zeit Online«. Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner, der die Debatte im Rechtsausschuss miterlebte, sprach gegenüber dem »nd« von einer »unüblichen Kampfabstimmung« über den Tag der Anhörung. Normalerweise verständigten sich die Berichterstatter im Rechtsausschuss über ExpertInnen-Anhörungen und legten gemeinsam einen Termin fest, so Fechner. Er selbst habe sich für die Anhörung ausgesprochen, aber nicht für den von den Grünen favorisierten Termin. »Nach der ausdrücklichen Zusage der Kanzlerin bin ich optimistisch, dass die Bundesregierung einen Vorschlag für mehr Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte vorlegen wird, allerdings wohl noch nicht im April«, erklärte Fechner. Er halte es für sinnvoller, mit der Anhörung zu warten, bis der Gesetzentwurf der Großen Koalition vorliege. »Die SPD-Fraktion wird aber nicht bis zum St. Nimmerleinstag abwarten, weil betroffene Frauen sachliche Informationen benötigen«, sagte Fechner dem »nd«.

Zweifel in der SPD an GroKo-Gesetzentwurf

Gleichzeitig äußerten immer mehr Abgeordnete der SPD Bedenken gegenüber dem Gesetzentwurf, den die Justizministerin Katarina Barley (SPD) für die Bundesregierung erarbeitet. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert warf der SPD ein »Einknicken« vor der Union vor. Er habe große Zweifel, dass der angekündigte gemeinsame Vorschlag der Bundesregierung fortschrittlich sein werde, sagte Kühnert der »Rheinischen Post«. Die SPD hatte im Dezember einen Gesetzentwurf zur Streichung des Paragrafen 219a einstimmig beschlossen und vor Zustandekommen der Großen Koalition im Bundestag eingebracht. Die designierte Vorsitzende der Sozialdemokraten, Andrea Nahles, einigte sich jedoch kurz nach der Vereidigung der GroKo mit Unionsfraktionschef Volker Kauder, das Gesetz zunächst nicht zur Abstimmung zu stellen und die neue Regierung mit einem Regelungsvorschlag zu beauftragen.

Die Generalsekretärin der Sachsen-SPD, Daniela Kolbe, äußerte sich im Gespräch mit dem »nd« ebenfalls kritisch. Die Regierung habe erst mal ein wenig Zeit verdient, einen Vorschlag zu machen. »Doch meine Hoffnung ist sehr eingeschränkt, dass dort ein Gesetzentwurf zustande kommt, der das Problem wirklich adäquat löst. Das liegt nicht an meiner Fraktion, sondern am Koalitionspartner und den Äußerungen, die man dort hört«, sagte Kolbe dem »nd«. Die Kritik von Seiten der FDP-Fraktion am Vorgehen der SPD wies sie jedoch ausdrücklich zurück. »In der FDP gab es widersprüchliche Aussagen, ob sie einer Streichung zugestimmt hätte oder nicht. Hätte hätte, Fahrradkette, sagt man dazu. Die FDP hätte sich früher verbindlicher und deutlicher äußern müssen«, so Kolbe. Zudem bekräftigte sie die Geschlossenheit ihrer Fraktion, was die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen betrifft: »Wenn wir eine absolute Mehrheit der SPD hätten, wäre die Streichung des Paragrafen 219a sicher«.

Kolbe erklärte weiter, dass der Gesetzentwurf der SPD nicht vom Tisch sei. Sie sei auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung gespannt. »Wenn kein Gesetzentwurf zustande kommt, der von beiden Seiten – also Union und SPD – goutiert wird, dann finde ich die Frage spannend, die Abstimmung freizugeben und dann sind die alten Gesetzentwürfe aus meiner Sicht wieder im Spiel«, so die SPD-Abgeordnete.

Die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel sagte dem »nd«, sie gehe davon aus, »dass sich die Union gegen eine Gewissensentscheidung im Bundestag stemmen wird, obwohl sie es selbst ist, die eine moralische Komponente in die Debatte einbringt«. Im Paragraf 219a ginge es aber nicht um Lebensschutz, wie einige aus den beiden Parteien behaupteten, sondern lediglich um Werbung. Hänel war aufgrund des Paragrafen im November zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Homepage »Schwangerschaftsabbrüche« als Leistung in ihrer Praxis in Gießen anbot. Im Dezember übergab sie dem Bundestag eine Petition mit mehr als 150.000 Unterschriften zur Abschaffung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche. Wenn der Paragraf nicht von der Politik gestrichen wird, plant sie den juristischen Weg zu gehen und vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Zuletzt hatte die Ärztin einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin geschrieben und sie darum gebeten, die »Debatte zu versachlichen«.

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