Der Löwe sagt: Das ist gemein

Propagandafilm oder Urlaubsvideo? »Citizen Animal« ist ein diffus-brachiales Plädoyer für Tierrechte

  • Georg Kammerer
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Regisseur Oliver Kyr und seine Frau Tatjana finden es sehr schlimm, wie auf der Welt mit Tieren umgegangen wird. Mit ihrer vierjährigen Tochter und zwei Chihuahuas reisen sie als »die Pegasus-Familie« um die Welt und besuchen andere Menschen, die es ebenfalls sehr schlimm finden, wie die Menschen mit Tieren umgehen.

In den Filmen von Michael Moore (»Bowling for Columbine«, »Fahrenheit 9/11«), der diese Form des personalisierten Propagandafilms im heutigen Kino salonfähig machte, stehen klare Antagonisten stellvertretend für die behandelten politischen Probleme. Man kann - und sollte - das manipulativ und intellektuell unredlich finden, aber immerhin erhalten Moores Filme dadurch dramatische Struktur. »Citizen Animal« dagegen mäandert ebenso ziellos vor sich hin wie die »Pegasus-Familie«, die Protagonisten zu nennen übertrieben wäre, denn das würde Charakterzeichnung und Identifikationspotenzial voraussetzen. Der Film gleicht einem ambitionierten Urlaubsvideo, gelegentlich unterbrochen durch Interviews, Archivbilder, in denen Tiere gequält werden, und ein paar kurze Animationssequenzen, die an Online-Erklärvideos erinnern.

Der Vorspann zeigt kindliche Zeichnungen von traurigen Tieren, auf denen Krakelsätze stehen wie: »Der Löwe sagt: Das ist gemein uns Tiere einzusperen (sic)«. Sie stehen beispielhaft für das intellektuelle Niveau des Films, dessen Anliegen so brachial wie diffus ist: Tiere sind unsere Geschwister, unsere Nachbarn und verdienen gefälligst Bürgerrechte. Ende der Durchsage!

Ignoriert werden alle Nuancen und Widersprüche, die in der durchaus angebrachten Debatte um Tierrechte zu behandeln wären, beispielsweise, ob ein Tier, das ein Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit hat, auch für den Mord an einem anderen Tier zu verurteilen wäre, oder wie es denn eigentlich mit den Persönlichkeitsrechten all jener Tiere aussieht, auf welche die »Pegasus-Familie« ungefragt ihre Kamera richtet. (Kein Witz: die Tierrechts-Quatschköpfe von PETA zogen unlängst allen Ernstes vor Gericht, um das Urheberrecht eines Affen zu verteidigen, dem ein Fotograf beigebracht hatte, den Auslöser einer Kamera zu betätigen.)

Wenn die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall zum Schluss erwähnt, dass es ja auch mit den Menschenrechten auf der Welt gar nicht mal so weit her sei, ist zum ersten - und einzigen - Mal so etwas wie gedankliche Gründlichkeit immerhin zu erahnen. Die Aussagen der übrigen Interviewpartner bewegen sich zwischen harmlos-naivem Harmonie-Gewäsch und jener grausameren Form der Tierliebe, die in den letzten Wochen erst in deutschen sozialen Medien zu beobachten war, als besorgte Bürger mehr Empathie für einen eingeschläferten Hund zeigten als für die zwei Menschen, die eben jener zuvor totgebissen hatte.

So erklärt der Wal-Schützer Paul Watson, Kakerlaken seien intelligenter als Menschen, da sie im Einklang mit der Natur lebten, und den Tieren gegenüber seien alle Menschen Nazis; der sogenannte Speziesismus wird mit Sexismus und Rassismus gleichgesetzt, und ein »Way-Seer« (was auch immer das sein mag) erträumt sich vor einem Schauplatz des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges implizit einen bewaffneten Freiheitskampf für die Tiere.

Tierfreund zu sein, ist gut und anerkennenswert. Wenn doch nicht so viele Tierfreunde zugleich Zivilisations- und Menschenfeinde wären.

»Citizen Animal«, Deutschland 2017. Regie: Oliver Kyr. 95 Min.

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