Ein bisschen Goldfolie

Der Film »Eldorado« dokumentiert die Verwaltung des Flüchtlingselends

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 3 Min.

Bilder von überfüllten Rettungsbooten, die unendlich erschöpften Gesichter der Flüchtlinge sowie Helfer, die den Leidgeplagten routiniert auf riesigen Schiffen Erste Hilfe leisten, hat man in Nachrichtensendungen und Filmen wie »Seefeuer« oder »Human Flow« schon des Öfteren gesehen. Trotz des unfassbaren Leids reagiert man mittlerweile abgestumpft auf diese Bilder.

Genau da setzt der zutiefst humanistische Dokumentarfilm »Eldorado« des mehrfach preisgekrönten Schweizer Regisseurs Markus Imhoof (»More than Honey«) an, der seine persönliche Fassungslosigkeit zum Ausgangspunkt des filmischen Essays über die unmenschliche Verwaltung des Flüchtlingselends macht.

Der Regisseur, der bereits 1981 in seiner Literaturverfilmung »Das Boot ist voll« die Gnadenlosigkeit der Schweizer gegenüber Flüchtlingen während des Zweiten Weltkriegs anprangerte, führt mit seiner geliebten Schwester im Geiste - dem Flüchtlingsmädchen Giovanna - einen imaginären Off-Dialog, der den Film in berührender Weise durchzieht: Während des Zweiten Weltkriegs päppelten die Imhoofs Giovanna für einige Zeit auf. Im Gegenzug für die Aufnahme der Kriegsopfer gestatteten die Nazis den Transit der Juden durch die Schweiz. Die der Familie schnell ans Herz gewachsene Halbwaise durfte aber nicht bleiben und musste zurück ins zerbombte Mailand.

Heutzutage wiederholt sich diese inhumane Behandlung von Flüchtlingen in ähnlicher Weise. Deshalb hat Imhoof sich auf einen Rettungskreuzer der Mission »Mare Nostrum« begeben und beobachtet, wie die Helfer vor der libyschen Küste verzweifelte Flüchtlinge auffischen. Diese erschreckenden Bilder gleichen denen, die man schon kennt. Doch Imhoof bleibt weiter dran: Nach all den unmenschlichen Strapazen wartet auf die Flüchtlinge mitnichten das erhoffte Paradies, sondern ein zutiefst inhumaner Verwaltungsapparat, der unter anderem eine Folge der idiotischen Dublin-Verordnung ist.

Einige der Abgewiesenen oder auf ihren Bescheid Wartenden finden sich gar wie Sklaven in einem Ghetto der Mafia wieder, wo sie unter unmenschlichsten Bedingungen für 15 Euro am Tag Tomaten ernten. Imhoof gelang es, heimlich dort zu filmen.

»Wir essen dann die von Sklaven gemachte Pizza«, mahnte Imhoof sanft auf der Pressekonferenz der diesjährigen Berlinale. Zudem werden die Tomaten günstig nach Afrika vertickt, wo sie den heimischen Markt ruinieren.

Imhoof weist auch mehrfach kritisch auf den Zusammenhang zwischen Fluchtursachen und der Handelspolitik der EU hin, die den Afrikanern den kargen Existenzboden unter den Füßen wegzieht.

So zeigt er beispielsweise das irrwitzige Schicksal eines afrikanischen Flüchtlings, der aus der Schweiz abgeschoben wird. Von dem schmalen Startkapital kauft er sich daheim zwei Milchkühe, um seine Existenz einigermaßen zu sichern - zollfrei verkaufte Milch aus Europa macht ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung.

Und die von den Imhoofs geliebte Giovanna? Verstarb mit 14 Jahren an Unterernährung.

Heute bekommen die Flüchtlinge lediglich Goldfolie gegen Unterkühlung von uns angeboten - danach bleibt auch ihnen eine dauerhafte Aufnahme im »Eldorado Europa«, das an der Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat eine maßgebliche Mitschuld trägt, in der Regel verwehrt.

»Eldorado«, Deutschland/Österreich/ Shweiz 2018. Regie: Markus Imhoof.

95 Min.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.