- Politik
- Streit um religiöse Symbole
Mehrheit hält nichts von einer Kreuz-Pflicht in Behörden
Auch Mehrheit der Katholiken und Protestanten gegen das Anbringen christlicher Symbolik/ Roth: Söder verhält sich »in hohem Maße unchristlich, unanständig sowieso«
Berlin. Eine Mehrheit der Deutschen lehnt einer Umfrage zufolge das Aufhängen von Kreuzen in Behörden ab. In einer Emnid-Umfrage für die »Bild am Sonntag« gaben 64 Prozent der Befragten an, sie seien dagegen, dass in allen staatlichen Behörden in Deutschland christliche Kreuze aufgehängt würden. Dafür sprachen sich 29 Prozent aus, sieben Prozent hatten keine klare Meinung oder äußerten sich nicht.
Auch unter Katholiken überwiegt der Umfrage zufolge mit 48 Prozent die Ablehnung, 38 Prozent sind für eine Kreuz-Pflicht. Bei den Protestanten sind 62 Prozent gegen Kreuze in Behörden, 34 sind dafür. Befragte anderer Konfessionen oder Konfessionslose lehnen Kreuze in Behörden mit einer großen Mehrheit von 87 Prozent ab, nur zwölf Prozent wären dafür.
Das bayerische Landeskabinett hatte beschlossen, dass ab Juni in jeder Behörde des Bundeslandes ein Kreuz hängen muss. Dies soll nach Ansicht der Landesregierung die »geschichtliche und kulturelle Prägung« Bayerns zum Ausdruck bringen und »sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung« sein.
Der Vorstoß stieß deutschlandweit auf ein geteiltes Echo. Während Vertreter der katholischen Kirche ihn begrüßten, warnte der Zentralrat der Muslime vor Ausgrenzung. Grüne und Linke warfen der CSU populistisches und verfassungswidriges Handeln vor. In Bayern wird in fünfeinhalb Monaten ein neuer Landtag gewählt.
Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth (Grüne), warf Söder vor, aus wahlkampftaktischem Kalkül zu handeln. »Er missbraucht das Kreuz für seinen Wahlkampf und vermischt bewusst Religion und Politik«, sagte Roth den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben). Dies sei »in hohem Maße unchristlich, unanständig sowieso«. In Bayern finden im Herbst Landtagswahlen statt, bei denen die CSU die absolute Mehrheit zurückerobern will.
Kardinal Marx kritisiert bayerische Kreuz-Pflicht
Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Rainhard Marx, kritisierte die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden. Durch den Erlass des bayerischen Ministerpräsidenten Söder sei »Spaltung, Unruhe, Gegeneinander« entstanden, sagte der Kardinal der »Süddeutschen Zeitung« (Montag). »Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden«, erklärte der Erzbischof von München und Freising. »Dann würde das Kreuz im Namen des Staates enteignet.« Es stehe dem Staat nicht zu, zu erklären, was das Kreuz bedeute.
Das Kreuz könne man nicht haben ohne den Mann, der daran gehangen habe, führte Marx aus: »Es ist ein Zeichen des Widerspruchs gegen Gewalt, Ungerechtigkeit, Sünde und Tod, aber kein Zeichen gegen andere Menschen.« Ein Kreuz aufhängen heiße: »Ich möchte mich an den Worten dessen orientieren, der am Kreuz für die ganze Welt gestorben ist«, betone Marx.
Die gesellschaftliche Debatte über das Kreuz ist nach den Worten des Kardinals wichtig: »Was heißt es, in einem christlich geprägten Land zu leben?« Dafür müsse man aber alle einbeziehen: Christen, Muslime, Juden und jene, die gar nicht gläubig seien. Der Staat müsse dafür sorgen, dass sich religiöse Überzeugungen artikulieren können, fügte Marx hinzu. Aber er könne nicht bestimmen, was der Inhalt dieser religiösen Überzeugung sei.
Unterstützung erhielt Söder vom früheren CSU-Chef Erwin Huber. Dieser kritisierte das Schweigen von Parteichef Horst Seehofer. »Der größte Teil der CSU-Mitglieder steht klar zur Entscheidung von Ministerpräsident Markus Söder zu Kreuzen in Behörden und Ämtern«, sagte Huber der »Passauer Neuen Presse« und dem »Donaukurier« (Montag). Das Schweigen der »Parteispitze in Berlin« sei »auffällig«. Die Entscheidung Söders und seines Kabinetts sei »eine wegweisende und mutige Richtschnur für die christlich-abendländische Kultur unseres Landes«, sagte Huber. »Das Kreuz ist Symbol des Christentums wie auch der Prägung Bayerns wie kein anderes Zeichen.« Agenturen/nd
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