»Bummi«-Hefte, Soljanka und Achim Streich
Sachsen-Anhalt: Die größte Magdeburger Wohnungsgenossenschaft betreibt eine Museumswohnung mit DDR-Flair
Den Geschmack der DDR vermitteln möchten die Macher einer Wohnung in Magdeburg, die aussieht wie vor 40 Jahren: Radio Stern Elite 2001, Dederon-Kittelschürze und Putzmittel Imi können Interessierte im Original anschauen. Die Resonanz ist positiv.
Die Idee entstand vor etwa vier Jahren, als die MWG-Wohnungsgenossenschaft eG Magdeburg zum 60-jährigen Gründungsjubiläum etwas Besonderes suchte. »Wir wollen zeigen, wie das Leben damals war, die alltäglichen Details«, erklärt Jens-Uwe Jahns, einer der Initiatoren. Eine günstig an einer Haltestelle gelegene Wohnung im Erdgeschoss wurde nach Auszug der Mieter nicht wieder belegt. Die MWG beauftragte Firmen, alles im Stil der 1970er bis 1980er Jahre herzurichten: Mit einem oben hängenden Wandspülkasten mit Plastik-Kette im Bad, großblumiger Tapete, einem Ofen (der nicht angeschlossen ist), Original-Einbauküche und mit Bohnerwachs zu pflegenden Linoleumfußböden. Im Bad steht die DDR-Tischwäscheschleuder, die man bekanntermaßen bei Betrieb stets gut festhalten musste, damit sie nicht von Tisch sprang. Die Wasserhähne sind aus Plastik.
Die MWG-Leute starteten einen Aufruf an die Mitglieder der Genossenschaft und die Magdeburger, ob diese etwas beisteuern könnten. Die Resonanz war überwältigend. Über 100 Leute spendeten insgesamt etwa 1000 Gegenstände. Vom ferngesteuerten Volkspolizei-Spielzeugauto über die Schrankwand, den authentischen Nierentisch - den würde sich heute so mancher gern wieder hinstellen - bis hin zur DDR-Ausgabe von Meyers Lexikon. »Bummi«-Hefte und Tischfußball, alles ist da - die Leute entrümpelten ihre Abstellspeicher, Dachböden und Regale. Kein einziges Möbelstück, kein einziges Accessoire wurde angekauft.
Heute muss man häufig schmunzeln über die Dinge, die man früher richtig schick fand. Jens-Uwe Jahns: »Wir haben im Keller noch eine komplette zweite Garnitur und könnten glatt zwei Wohnungen ausstatten.«
Die Wohnung zeigt, wie die Elbestädter auf 54 Quadratmetern einst wohnten. Sie befindet sich in einem sogenannten Q6-Blockbau, der damals 1959 von der AWG Georgi Dimitroff gebaut wurde. Zur Einweihungsparty des Museums am 1. April 2014 kamen 500 Leute. Seitdem ist die Museumswohnung jeden Sonntag von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Betreut wird sie vom Nachbarschaftsverein. Der Andrang ist ganz verschieden: Mal kommen fünf Leute, mal 30 - das hängt vom Wetter ab und von der Jahreszeit. Bei »gelernten« DDR-Bürgern heißt es oft: »Das hatten wir auch.«
»Wir wollen hier keine Nostalgie betreiben und auch nicht die DDR verherrlichen«, sagt Jahns. »Uns geht es darum, die Erinnerung an den Alltag damals zu bewahren.« Die Älteren haben den Aha-Effekt, die Jüngeren das große Staunen.
Mehrmals im Jahr gibt es Feste mit Bierzelt und Bänken vor der Tür, Konsum-Imbiss und HO-Grill. Da können die Leute Soljanka und Karlsbader Schnitte essen, Rondo-Kaffee trinken und Muckefuck, es gibt Modenschauen mit Kleidung, die man damals trug. Bevorzugt im Winter finden im Wohnzimmer Lesungen statt, Spitzenfußballer Achim Streich hat schon aus seinem Buch gelesen, Rad-Legende Täve Schur kommt im Herbst.
Die Wohnung liegt im Trend. Vielerorts kann man dem DDR-Alltag heute wieder begegnen - im Ossi-Laden Tangermünde, im Ostalgie-Kabinett Langenweddingen, in der Ostalgie-Kantine Oschersleben und im DDR-Museum Thale, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die MWG-Museumswohnung befindet sich in der Magdeburger Hohepfortestraße 61, geöffnet sonntags von 14 bis 16 Uhr. Das nächste Fest ist für den 15. Juli geplant, 13 bis 20 Uhr.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.