- Wirtschaft und Umwelt
- Studie zur Landwirtschaft
Fleischkonzerne schaden dem Klima mehr als Öl-Multis
Die Treibhausgas-Emissionen der fünf größten Unternehmen aus der Tierhaltung- und Verarbeitung sind laut einer Studie höher als von Exxon-Mobil, Shell und BP
In den Klimaschutzplänen der Bundesregierung für die Jahre 2030 und 2050 spielt sie faktisch keine Rolle: die Tiermast. Zwar sehen die Konzepte auch Einsparungen klimaschädlicher Gase in der Landwirtschaft in Höhe von 31 bis 34 Prozent gegenüber 1990 vor, doch das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass die Potenziale »grundsätzlich beschränkt« seien. Entsprechend überschaubar fallen die bisher vorgelegten Ideen zur Umsetzung der Klimaschutzziele aus: Zwar beschloss die Große Koalition erst Ende Juni eine neue Düngemittelverordnung, darüber hinaus gehende konkrete Pläne zum Beitrag der Landwirtschaft für den Klimaschutz gibt es bisher allerdings noch nicht.
Offensichtlich ein schwerer Fehler, wie aus einer am Mittwoch vorgelegten Studie des Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) und der Umweltorganisation Grain hervorgeht. Ihrer Untersuchung zufolge sind die weltweit fünf größten Fleisch- und Molkereikonzerne schon heute für »mehr Treibhausgas-Emissionen pro Jahr verantwortlich als die Ölkonzerne Exxon-Mobil, Shell oder BP.« Sollte die Branche in ihrem bisherigen Tempo weiter wachsen, werde der Nutztierbestand im Jahr 2050 etwa 80 Prozent des jährlichen Treibhausgasbudgets der Erde verbrauchen.
Das Kleine fressen
Seit Kurzem sind Insekten in der EU als Nahrungsmittel zugelassen. Zukünftig sollen sie einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Ernährung übernehmen. Ein Selbstversuch
IATP und Grain werfen insbesondere den Großen der Branche vor, sich viel zu wenig für das Thema Klimaschutz zu interessieren. So lege die Mehrheit der 35 größten Fleisch- und Molkereiunternehmen entweder überhaupt keine Berichte über die bei ihnen anfallenden Treibhausgasemissionen vor oder tue dies nur lückenhaft. So werde der Ausstoß klimaschädlicher Gase, der etwa innerhalb der Lieferkette entstehe, oft ausklammert. Gerade einmal vier Unternehmen würden umfassende Emissionsabschätzungen abgeben.
Der wichtigste Klimasünder stammt laut Studie aus Brasilien: Dabei handelt es sich um JBS, dem größten Fleischkonzern der Welt. Direkt dahinter reihen sich die drei US-Giganten Tyson Foods, Cargill und Dairy Farmers ein. Deutsche Unternehmen sind in der Rangliste der 35 größten Fleisch- und Molkereihersteller ebenfalls vertreten. Der Molkereikonzern DMK landet auf Platz 21, der Fleischhersteller Tönnies, bundesweit etwa durch seine Marke Tillman's bekannt, auf Platz 24.
Auffällig sei, dass die aufgelisteten Unternehmen vor allem in jenen Ländern vertreten sind, die überdurchschnittlich an der weltweiten Fleisch- und Milchproduktion und dem Verbrauch beteiligt sind. Dazu zählen neben den EU-Staaten, die USA, Kanada, Brasilien, Argentinien, Australien, Neuseeland und China. Alle zusammen stünden für doppelt so viele Emissionen aus der Produktion tierischer Lebensmittel wie der Rest der Welt.
»In diesen Ländern muss die Produktion von Fleisch und Milchprodukten signifikant zurückgefahren werden«, fordert Devlin Kuyek, Wissenschaftler bei den Umweltschützern von GRAIN. Bis 2030 hieße das, den weltweiten jährlichen Fleischkonsum auf 22 Kilogramm pro Person zu senken, um das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Bis 2015 müsste der Verbrauch sogar auf 16 Kilogramm pro Person fallen. Ein weiter Weg wie Zahlen der UN-Ernährungsorganisation FAO zeigen: Demnach isst jeder Mensch im Jahr mehr als 37 Kilogramm Fleisch, in den EU-Staaten sind es sogar rund 82 Kilogramm, während es in Afrika nur etwa 18 Kilogramm sind.
Doch nach einer Reduktion sieht es derzeit nicht aus, warnen die Studienautoren. Die Konzerne forderten »Handelsabkommen, mit denen Exporte und Emissionen zunehmen, und untergraben damit wirkliche Klimaschutzlösungen«, warnt Kuyek. Bestes Beispiel dafür ist JBS: Der Konzern prognostiziert, dass der weltweite Fleischkonsum bis 2030 sogar auf 48 Kilogramm wachsen werde.
Shefali Sharma, Leiterin des IATP sagt, der Anstieg der des Konsum tierischer Produkte habe auch mit der Subventionspolitik jender Staaten zu tun, in denen die Milch- und Fleischkonzerne aktiv sind. So etwas wie »billiges Fleisch« gebe es nicht.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!