Das Krokodil schnappt sich den Sieg
Der 75-jährige Emmerson Mnangagwa wird in Simbabwe unter Protest der Opposition zum Wahlsieger erklärt
Auf den Straßen Harares ist seit Donnerstag wieder Ruhe eingekehrt. Weniger, weil sich die simbabwische Opposition in die von der Wahlkommission ZEC verkündete Niederlage bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen fügt, als vielmehr wegen patrouillierender Armee-Einheiten, mit denen nicht zu spaßen ist. Noch am Mittwoch wurden in der Hauptstadt Simbabwes bei Protesten der Opposition gegen unterstellte Wahlmanipulationen sechs Demonstranten bei Zusammenstößen mit dem Militär getötet.
In den Reihen der Opposition der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) kann von Ruhe derweil keine Rede sein. Ihr Präsidentschaftskandidat Nelson Chamisa beharrte darauf, dass er die Wahl gewonnen hat und erzählte schon vor der Verkündung des Ergebnisses gegenüber Journalisten, dass die regierende ZANU-PF im Begriff sei, «das Resultat zu verfälschen, etwas »was wir nicht erlauben werden«. Auch MDC-Sprecher Morgan Komichi hatte kurz vor der offiziellen Bekanntgabe der Ergebnisse die zuvor veröffentlichten Teilergebnisse, wonach der ZANU-PF-Kandidat Emmerson Mnangagwa deutlich in Führung lag, als »gefälscht« bezeichnet. Er wurde anschließend von der Polizei von der Bühne in der Hauptstadt Harare abgeführt, auf der die Ergebnisse dann bekannt gegeben wurden.
Wie präzise die Wahlkommission ZEC gearbeitet hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Sicher ist nur, dass sie die gesetzliche Vorgabe, bis zum 4. August das Ergebnis der ersten Präsidentschaftswahlen nach dem Ende der 37-jährigen Ära von Robert Mugabe zu verkünden, eingehalten hat. Der 75-jährige Emmerson Mnangagwa sei im ersten Wahlgang mit 50,8 Prozent der Stimmen gewählt worden, teilte die Wahlkommission in der Nacht zum Freitag in Harare mit. Oppositionsführer Nelson Chamisa erhielt demnach 44,3 Prozent. Bei weniger als 50 Prozent wäre eine Stichwahl nötig geworden. Die ZEC wies alle Vorwürfe zurück: Es gab »absolut keine Betrügerei.« Mnangagwa werde »ordnungsgemäß zum Präsidenten der Republik Simbabwe erklärt«, sagte die ZEC-Vorsitzende Priscilla Chigumba bei der Bekanntgabe der Wahlergebnisse. Bei der am Montag gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl abgehaltenen Parlamentswahl errang die Regierungspartei ZANU-PF Teilergebnissen zufolge die absolute Mehrheit.
Erstmals seit 16 Jahren waren bei den Wahlen im Simbabwe wieder ausländische Wahlbeobachter zugelassen. EU-Wahlbeobachter hatten die Abstimmung insgesamt als frei bezeichnet. Wegen der Nutzung staatlicher Ressourcen und der parteiischen Berichterstattung der amtlichen Medien zugunsten der Regierung sei sie aber nicht fair gewesen. So wurde am Vorabend der Wahl im staatlichen Fernsehen eine Rede des Präsidenten Mnangagwa in Endlosschleife abgespult, die Regierungszeitung »The Herald« erschien am Dienstagmorgen mit einem großen Kommentar: »Warum Chamisa verloren hat.« Zu diesem Zeitpunkt lagen noch keinerlei Ergebnisse der Wahlen vom Vortag vor.
Die Opposition macht weiter keine Anstalten, die Ergebnisse zu akzeptieren. »Der ZEC-Skandal, unbestätigte Fake-Resultate zu veröffentlichen, ist bedauerlich«, twitterte Nelson Chamisa am Freitag. »Die ZEC muss in Abstimmung mit den Parteien saubere und überprüfte Ergebnisse veröffentlichen. Das Niveau der Intransparenz, der Wahrheitsmängel, des Verfalls der Moral und der Werte ist frustrierend.«
Die Opposition stellt auch die hohe Wahlbeteiligung infrage, die in den meisten der zehn Provinzen offiziell bei über 80 Prozent lag. Das ist weit über den vergangenen Wahlen, bei denen jedoch Robert Mugabe ohne echte Alternative auf dem Wahlzettel stand. Der Leiter der Beobachter des EU-Parlaments, der Abgeordnete Norbert Neuser, sagte, die hohe Wahlbeteiligung habe gezeigt, dass die Menschen große Hoffnungen für die Zukunft ihres Landes hätten. »Wer auch immer gewinnt, es ist die Aufgabe der politischen Führung, sich dafür einzusetzen, das Leben aller Bürger zu verbessern«, so Neuser.
Gewonnen hat bis zu einer juristischen Überprüfung Mnangagwa, der sich per Twitter demütig und versöhnlich zeigte: »Danke Simbabwe! Auch wenn wir bei der Wahl gespalten gewesen sein mögen, sind wir in unseren Träumen vereint. Das ist ein Neubeginn, lasst uns die Hände reichen, in Frieden, Einheit und Liebe und uns zusammen ein neues Simbabwe für alle bauen!«
Mnangagwa hatte indes auch im alten Simbabwe seine Hände kräftig im Spiel. Nach der Unabhängigkeit 1980 war er 37 Jahre lang der Mann, der für Robert Mugabe die Drecksarbeit erledigte. In den frühen Achtzigerjahren, als Mnangagwa gerade Sicherheitsminister und Chef des Geheimdienstes war, ließ Mugabe 10 000 Menschen im Matabeleland ermorden, die einer anderen Widerstandsbewegung gegen das weiße Kolonialregime angehört hatten und von den Ndebele um Joshua Nkomo dominiert wurden, während bei der ZANU-PF die Shona das Sagen haben. Im Jahr 2008, als Mugabe den ersten Wahlgang verloren hatte, ließ Mnangagwa die Opposition brutal niederschlagen. Sein Spitzname »das Krokodil« kommt nicht von ungefähr.
Mnangagwa hat verlauten lassen, dass die Regierung bereits einen Gesprächsfaden zu Chamisa geknüpft hätte, um die Krise zu entschärfen. Und er stellte eine unabhängige Untersuchungskommission in Aussicht, die die tödlichen Vorkommnisse von Mittwoch untersuchen und die Hintermänner zur Rechenschaft ziehen solle. »Dieses Land ist unser aller Heimat und wir werden entweder zusammen untergehen oder zusammen schwimmen«, twitterte das Krokodil. Und in der Tat werden erst die kommenden Wochen und Monate zeigen, was die ersten Wahlen nach der Ära Mugabe wert sind, für was sie stehen. Bisher spricht mehr für die Kontinuität des Mugabe-Systems mit neuer Fassade als für einen substanziellen Neuanfang.
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