Dariusz darf nicht gekrönt werden - weil er ein Mann ist
Beim Blütenfest in Ostfriesland wollte ein 21-Jähriger die Gleichberechtigung der Geschlechter sichtbar machen
Putzige Tierchen, eine Kutsche und viele andere nette Figurenbilder, sie alle zusammengesteckt aus unzähligen Blumen, rollen am Wochenende auf hübsch gestalteten Wagen durch Wiesmoor. In der 14 000 Einwohner zählenden ostfriesischen Stadt im Nordwesten Niedersachsens wird Blütenfest gefeiert. Unter den Gästen sind vielleicht ein paar ältere Hannoveraner, die sich erinnern lassen wollen an den großen Blumenkorso, den es einst auch in der Landeshauptstadt gab. Das war in den 1950er Jahren, zu jener Zeit also, als Bundeskanzler Konrad Adenauer seine CDU-Wahlaufrufe gern mit der Mahnung schloss: Keine Experimente!
Dieses Motto haben sich offenbar auch die Verantwortlichen des Blütenfestes in Wiesmoor zu eigen gemacht, zumindest was die «königliche Repräsentanz» der Veranstaltung betrifft. Eine Haltung, die jetzt ein junger Mann zu spüren bekam, der etwas Althergebrachtes aufbrechen wollte.
Dariusz Meyer, ein 21-jähriger Kioskverkäufer, hatte die Würde eines Blütenkönigs angestrebt. Ein revolutionärer Schritt, sind die Hauptakteure des Blumenfestes in Wiesmoor doch bisher ausschließlich Frauen: Neben der jährlich neu zu wählenden Blütenkönigin gibt es noch zwei Blütenprinzessinnen, die die Chefin eskortieren. Noch nie aber hatte es einen Blütenkönig gegeben, ja vermutlich hatte man auch noch nie über eine solche Alternative nachgedacht.
Keine Experimente, kein Blütenkönig! Dariusz wurde erst gar nicht zur Wahl zugelassen. Dabei hatte der junge Verkäufer ein Stückchen Gleichberechtigung sichtbar machen wollen. Ein Pendant etwa zu Lüneburgs «Schwulem Heidekönig» wäre Dariusz Meyer aber nicht, würde er die Blütenkrone tragen. Ihm geht es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Warum er nicht König werden darf, hat der Heimat- und Verkehrsverein als Ausrichter des Festes mit Argumenten begründet, die wenig überzeugend klingen. Wenn «das »Königshaus« irgendwohin reise, um die Region zu repräsentieren, müsse neben dem Hotelzimmer für die Prinzessinnen ja dann ein zusätzliches Zimmer für den Mann gebucht werden. Auch könnten sich die Prinzessinnen um die Sympathie des König streiten. Und: »Sogar das Ansehen des Festes und die Königinnenwürde hätte Schaden nehmen können, wenn plötzlich nach 67 Jahren ein Mann auf dem Thron sitzen würde«, so zitiert der NDR den Vereinsvorsitzenden.
Aussagen, die Kopfschütteln ausgelöst haben. Im Internet fragt ein Kommentator, ob Königin und Prinzessinnen denn immer in Dreibett-Zimmern schlafen müssten und ob sie in Fünf-Sterne-Hotels untergebracht würden, was die Furcht vor einem teuren Extra-Königszimmer begründen könnte. »Nicht im Takt der Zeit« werde in Wiesmoor verfahren, meint jemand.
»Hinterwäldlerisch« und »verknöchert« urteilen andere Schreiber, und mehrmals wird dem gescheiterten Thronbewerber Mut gemacht mit einem Blick nach Husum. In der Nordsee-Stadt in Schleswig-Holstein wird seit dem Jahr 2001 das Krokusblütenfest gefeiert, 16 Jahre lang stets mit einer Königin. Doch im März 2018 wurde erstmals ein junger Mann zum Krokusblütenkönig gewählt. Offenbar ist man dort aufgeschlossener als in der Heimat von Dariusz Meyer.
Er solle »dranbleiben« in punkto Kandidatur, raten ihm Unterstützer. Das will er tun und meint, vielleicht habe er ja im kommenden Jahr eine Chance. Doch zuvor muss sich der Wiesmoorer Heimatverein vom 1950er-Jahre-Motto »Keine Experimente« verabschieden.
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