Zunehmend bösartige Taktiken

Rettungsschiff »Aquarius« fordert Hafen / EU-Länder nehmen 10 von 58 Flüchtlingen auf

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Dem letzten im Mittelmeer verbliebenen zivilgesellschaftlichen Rettungsschiff »Aquarius« wird von der EU erneut eine dramatische Irrfahrt aufgezwungen. Bis Redaktionsschluss war nur die Aufnahme von einem Bruchteil der 58 geretteten Geflüchteten geklärt. Während das Schiff der Organisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée einen sicheren Hafen für die restlichen Schutzsuchenden und einen neuen Flaggenstaat sucht, gibt es Meldungen von weiteren Geflüchteten in Seenot.

Portugal hatte am Dienstagnachmittag mit Frankreich und Spanien eine Abmachung zur Aufnahme von zehn Flüchtlingen der »Aquarius« getroffen. Das teilte das Innenministerium in Lissabon mit. Die »Aquarius« befindet sich derzeit in der Nähe von Malta und nimmt Kurs auf Frankreich.

Paris wies bis Dienstagmittag noch die Verantwortung von sich. »Im Moment ist unsere Antwort nein«, sagte der französische Finanzminister Bruno Le Maire gegenüber Medien auf die Frage, ob die Regierung der Anfrage von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen zustimmen werde. Die Hilfsorganisationen hatten die französischen Behörden gebeten, im Hafen von Marseille anlanden zu dürfen. Politiker des Landes reichten stattdessen die Verantwortung an Italien und Malta weiter, da dort die nächsten sicheren Häfen seien. Von beiden Ländern gab es eine Absage. Auf Druck von Rom hatte Panama erst jüngst der »Aquarius« die Flagge entzogen.

Die Schikanen sowie die Verweigerung eines sicheren Hafens stößt bei den Hilfsorganisationen auf heftige Kritik. »Die europäischen Politiker scheinen keine Skrupel zu haben, zunehmend beleidigende und bösartige Taktiken anzuwenden, die auf Kosten von Menschenleben ihren politischen Interessen dienen«, sagte Karline Kleijer von Ärzte ohne Grenzen.

Ob die Hilfsorganisationen auf eine Flagge aus Deutschland setzen können, ist fraglich. »Ein spezielles Register für Seenotrettungsschiffe gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Eine Registrierung für diesen spezifischen Zweck ist nicht vorgesehen«, heißt es in einem neuen Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. In dem Gutachten, das der Linkspartei-Abgeordnete Andrej Hunko in Auftrag gegeben hat, wird auf die Rolle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in der Nord- und Ostsee verwiesen. Diese sei ebenfalls als privater Verein organisiert, übernehme aber eine Aufgabe, zur der sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet habe.

»Einen besonderen rechtlichen Status, wie ihn die DGzRS für das Küstenmeer von Nord- und Ostsee genießt, haben die privaten Rettungsmission im Mittelmeer nicht«, heißt es. Mangels vergleichbarer völkerrechtlicher Verpflichtungen Deutschlands im Mittelmeer dürfe der Status der Seenotrettungsgesellschaft »auf private deutsche Rettungsmissionen im Mittelmeer nach geltendem Recht nicht übertragbar sein«.

Hunko forderte am Dienstag, das Verkehrsministerium solle Vereinen eine Registrierung von Rettungsschiffen ermöglichen. Es sei nachvollziehbar, wenn Hilfsorganisationen auf Flaggen von Ländern wie der Niederlande, Gibraltar oder Panama ausweichen. »Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Vereine wie Sea-Watch deshalb nicht kriminalisiert werden«, erklärte er.

Während der Streit um die »Aquarius« weitergeht, schweben offenbar Dutzende Geflüchtete in Gefahr. Das ehrenamtliche Pilotenprojekt »Pilotes Volontaires« meldete am Montag, dass man auf einem Flug rund 100 Geflüchtete in einem Schlauchboot gesichtet habe. Die Piloten hätten die Seenotleitstelle in Rom sowie sich in der nähe befindende Handels- und Marineschiffe über das Unglück informiert. Eine Antwort sei ausgeblieben.

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