Gauland ist Hitler ist Stalin ist Bannon ist Wagenknecht

Netzwoche

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 4 Min.

Die AfD hat eine Medienstrategie, die gut funktioniert. Wie, das hat Frauke Petry bereits Anfang 2016 beschrieben. Man müsse provokante Statements formulieren, um sich medial Gehör zu verschaffen, schrieb die damalige AfD-Bundesvorsitzende in einer Mail an die Mitglieder ihrer Partei. »Pointierte, teilweise provokante Aussagen« seien dabei unerlässlich, denn nur diese sorgten für die notwendige Aufmerksamkeit für die Partei. Die Aufregung und Empörung in den Medien könne man anschließend dazu nutzen, die eigene Position »sachkundig und ausführlicher« darzustellen.

Was Petry, die mittlerweile nicht mehr der AfD angehört und als fraktionslose Abgeordnete im Bundestag sitzt, nicht sagte: Die Provokation sollte mit faschistischen Symbolen und Gedanken spielen, Assoziationen zum Nationalsozialismus wecken, um so die mediale Empörungsmaschine zu füttern, doch dies stets nur so weit, dass die Aussage hinterher leicht zu relativieren oder gar zu dementieren ist - im optimalen Fall können so die Medien selbst an den Pranger gestellt werden, indem man ihnen vorwirft, eine Aussage mutwillig falsch interpretiert zu haben. Günstigstenfalls erhält man dabei noch Rückendeckung aus dem rechtsbürgerlichen Spektrum, das »Fairness« im Umgang mit der AfD einfordert.

Ein Meister dieser Taktik ist der Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alexander Gauland. In einem Gastbeitrag für die »FAZ« vom 6. Oktober hatte Gauland von einer »globalistischen Klasse« geschrieben, deren Mitglieder sich als Weltbürger fühlten und in einer »abgehobenen Parallelgesellschaft« lebten. Diese Kaste gebe kulturell und politisch den Takt vor. »Sie sprechen fließend Englisch, und wenn sie zum Jobwechsel von Berlin nach London oder Singapur ziehen, finden sie überall ähnliche Appartements, Häuser, Restaurants, Geschäfte und Privatschulen. Dieses Milieu bleibt sozial unter sich, ist aber kulturell ›bunt‹.« Ihnen gegenüber stünden »diejenigen, für die Heimat noch immer ein Wert an sich ist, und die als Erste ihre Heimat verlieren, weil es ihr Milieu ist, in das die Einwanderer strömen«. Deshalb brauche es den Populismus und die AfD, die sich gegen das Establishment stemme und sich für diese »einfachen Menschen« einsetze.

Mehrere Historiker, darunter der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz, warfen Gauland daraufhin vor, eine Rede von Adolf Hitler plagiiert zu haben. Dieser hatte im November 1933 vor Arbeitern in Berlin davon gesprochen, dass es eine »kleine wurzellose internationale Clique« gebe, die »überall und nirgendwo zu Hause« sei, deren Mitglieder »heute in Berlin leben, morgen genauso in Brüssel sein können, übermorgen in Paris und dann wieder in Prag oder in Wien oder in London«. Auch der Verweis auf das Volk, dass von globalisierten Eliten im Stich gelassen werde, fehlte bei Hitler nicht. Das »Volk« könne diesen »internationalen Elementen« gar nicht »nachfolgen, das Volk ist ja gekettet an seinen Boden, ist gekettet an seine Heimat, ist gebunden an die Lebensmöglichkeiten seines Staates, der Nation«. Bei dem Text von Gauland handele es sich um »eine Paraphrase, die so wirkt, als habe sich der AfD-Chef den Redetext des Führers von 1933 auf den Schreibtisch gelegt, als er seinen Gastbeitrag für die FAZ schrieb«, kritisierte Benz in einem Beitrag für den Berliner »Tagesspiegel« vom 10. Oktober.

Gauland selbst äußerte sich bislang nicht zu diesem Vorwurf. Sein Berater Michael Klonovsky erklärte allerdings, Gauland habe erstens den Beitrag selbst verfasst, und zweitens hätten weder er noch Gauland den Wortlaut von Hitlers Rede gekannt. Plagiiert hat der AfD-Politiker möglicherweise in der Tat einen ganz anderen Text. Mittlerweile meldete sich der Kulturwissenschaftler Michael Seemann zu Wort. Gauland habe fast wortgleich Sätze aus einem Text übernommen, den er 2016 im »Tagesspiegel« veröffentlich habe, sagte Seemann dem Branchendienst meedia.de. Seemann hatte in seinem Text das Feindbild der AfD beschrieben und es als deckungsgleich mit dem der Nationalsozialisten bezeichnet.

Unterdessen dreht sich die Debatte ganz im Sinne von Gauland und der Medienstrategie seiner Partei weiter. So wurde der Vorwurf, dass Gauland NS-Ideologie bedient habe, von dem Springer-Journalisten Ralf Schuler bestritten. Die Rede von Hitler ließe sich auch mit einer von Stalin vergleichen. Und die »Zeit«-Redakteurin Mariam Lau twitterte: »Die Verachtung der ›globalistischen Eliten‹ ist Standard von Bannon bis Wagenknecht«.

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