- Berlin
- Lausitzer Straße 10/11
Konflikt um »Lause« kocht hoch
Dänischer Investor brach Gespräche über Zukunft des Gebäudekomplexes in Kreuzberg ab
Die Vereinbarung ist hinfällig. Eigentlich hatte der dänische Eigentümer Jørn Tækker mit den Mietern des Hauskomplexes Lausitzer Straße 10/11 in Kreuzberg vereinbart, dass sie ihn nicht mehr negativ in die Presse bringen. Doch nach den jüngsten Ereignissen fühlen sich die Mieter - Gewerbetreibende, Künstler und wichtige politische Vereine wie die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) oder das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) - nicht mehr an diese Absprache gebunden.
»Tækker hat die Verhandlungen abgebrochen, und er hat gesagt, er will nicht mehr verhandeln«, sagt Veronika Wolter dem »nd«. Sie ist eine der Mieterinnen in dem Gebäudekomplex. Dass der dänische Investor tatsächlich einen Kursschwenk weg von einer Verhandlungslösung genommen hat, zeigen die Kündigungen, die er bereits Anfang September an mehrere Mietparteien des Wohn- und Gewerbehofes verschickte. In einigen Fällen bot der dänische Investor nach Angaben der Mieter an, neue Verträge zu deutlich schlechteren Konditionen und vor allem mit stark gestiegenen Mieten abzuschließen. Um bis zu 56 Prozent soll der Mietzins steigen.
Auf Nachfrage wollte sich eine Mitarbeiterin der Tækker-Group am Freitag in Dänemark nicht zu den abgebrochenen Verhandlungen äußern. Auch eine schriftliche Anfrage bei der dänischen Immobiliengruppe blieb bis Redaktionsschluss dieser Seite unbeantwortet.
Um ihrerseits das Ende der Verhandlungen »offiziell« zu machen, hatte die Initiative »Lause bleibt!«, in der sich die Mieter organisiert haben, bereits am vergangenen Dienstag der von Tækker beauftragten Hausverwaltung PLU einen »Besuch« abgestattet. »Für uns macht es keinen Unterschied, ob wir unseren Wohn- und Arbeitsraum verlieren, weil das Haus verkauft wird oder weil die Mieten über die Schmerzgrenzen hinaus erhöht werden«, sagt Martin Navalny von der Initiative »Lause bleibt!«. In beiden Fällen solle man verdrängt werden. Es handele sich um eine »Salamitaktik« mit dem Ziel, alle Mieter aus dem Komplex zu werfen, so Navalny.
Die Hausverwaltung war von dem »Besuch« offenbar nicht angetan. Sie rief die Polizei. Eine Personalienfeststellung der Mieter konnte nur durch einiges Verhandlungsgeschick abgewendet werden.
Der Konflikt um die Lausitzer Straße 10/11 schwelt indes bereits seit Längerem. Im Jahr 2017 kam heraus, dass der für seine Spekulationen berüchtigte Immobilienkonzern Tækker sich weitgehend aus der Hauptstadt zurückziehen will. Hunderte Wohnungen wurden seinerzeit verkauft. Der Wohn- und Gewerbehofkomplex in der Lausitzer Straße war zunächst nicht Teil dieser Veräußerungen. Es wurde aber gemutmaßt, dass Tækker die einst für rund 2,3 Millionen Euro erworbene Immobilie für rund 20 Millionen Euro verkaufen will. Nach Protesten nahm der Däne davon allerdings Abstand. Was folgte, waren Verhandlungen über eine Genossenschaftslösung und einen Generalmietvertrag für alle Mieter und Initiativen. Im Gespräch war auch ein Ankauf durch die Wohnungsbaugesellschaft Mitte. Mit Abbruch der Gespräche sind nun alle diese Vorschläge hinfällig. Für die Mieter bleibt deshalb nur eines: Widerstand zu leisten.
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