Weder Grusel- noch Jubelshow

Die Berliner Linksfraktion erinnerte an die Gründung der KPD vor 100 Jahren

Die nichtigste Nachricht zuerst: Er ist nicht erschienen, folgte nicht der Einladung der Linkspartei, ihrer Veranstaltung zum 100. Jahrestag der Gründung der KPD beizuwohnen, um sich sodann ein solides Urteil zu bilden. Hubertus Knabe hat sich auch nicht aus Frust, dass man sich um sein Geschrei vorab kaum scherte, an den steinernen Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein vorm Berliner Abgeordnetenhaus gekettet. Ebenso inkonsequent sein geistiger Kompagnon, CDU-Fraktionschef Burkard Dregger. Auch er schmiedete sich nach vergeblichem verbalen Protest ob vermuteter »Verniedlichung« am Montagabend nicht ans Denkmal von Stein oder dessen Reformkollegen Karl August Fürst von Hardenberg ebenda. Nix dergleichen geschah. Man ist enttäuscht über die mangelnde Courage eines Experten für Gruselkabinette wie auch des Sohnes eines strammen Bataillonskommandeurs in Hitlers Wehrmacht.

Die Linkspartei freute die Publicity vorab. Sie ließ sich nicht irritieren. Hat sie auch nicht nötig. Es gibt keine Partei in diesem Lande, die sich derart konsequent und kritisch mit ihrer Geschichte auseinandersetzt, quält und zweifelt wie sie. Seit nunmehr bereits drei Jahrzehnten. Mitunter hatte es schon masochistische Züge. Wie oft hat sich diese Partei schon offiziell entschuldigt? Für den Stalin’schen Terror, für die Mauer, für den Einmarsch in Prag ... Das genügt manchen Zeitgenossen offenbar nicht. Sie erwarten wohl, dass die Linke sich noch dafür entschuldigt, dass es sie überhaupt noch gibt.

Eine Jubelveranstaltung war die von der Linksfraktion des Berliner Abgeordnetenhauses mit Unterstützung der Historischen Kommission der Partei ausgerichtete und von Kai Degenhardt musikalisch begleitete Tagung wahrlich nicht. Manuela Schmidt, Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, erinnerte an den 1989 programmatisch eingemeißelten, unwiderruflichen Bruch mit dem Stalinismus und daran, dass die Gründungsväter und -mütter der KPD jedwedem Terror zur Erreichung ihrer politischen Ziele eine strikte Absage erteilt hatten. Die mit der Kon-stituierung der Kommunistischen Partei Deutschlands an der Jahreswende 1918/19 erfolgte - organisatorische - Spaltung der Arbeiterbewegung nannte die Linksabgeordnete bedauerlich, weil jegliche Spaltung einen Verlust an Kampfkraft bedeute, »damals wie heute«. Die Erziehungswissenschaftlerin unterstrich aber auch: »Es wäre falsch, die KPD in Bausch und Bogen zu verdammen.« Anknüpfungspunkte an den Kampf der Kommunisten in der Weimarer Republik seien für heutige Linke deren energische Ablehnung des knechtenden Lohnsystems und deren Eintreten für Partizipation in Betrieben und Gesellschaft, für die Gleichstellung der Geschlechter und die Enteignung gieriger Spekulanten. Die just in Berlin erstrittene Rekommunalisierung der von einem der ärgsten Immobilienhaie begehrten Wohnungen in der Karl-Marx-Allee bezeichnete Manuela Schmidt als »ein überaus wichtiges Signal«.

Zu einer Zeitreise ein Jahrhundert zurück lud Ronald Friedmann das zahlreich erschienene Publikum. Er rekapitulierte die Atmosphäre und die Debatten am historischen Ort, im ehemaligen Preußischen Abgeordnetenhaus, als sich der Spartakusbund endgültig von der USPD trennte und zu einer selbstständigen Partei erklärte. Nicht nur um deren Namen gab es damals Kontroversen unter den Delegierten - die heftigste Auseinandersetzung tobte um die Frage, ob sich die junge Partei an den Wahlen zur Nationalversammlung beteiligen solle oder nicht. »Die radikale Mehrheit setzte sich durch«, so Friedmann, gegen die Position von Rosa Luxemburg, Paul Levi, Käte und Hermann Duncker, das bürgerliche Parlament als Bühne des politischen Kampfes zu nutzen. Dem Wissenschaftler war es wichtig, zugleich einen weit verbreiteten Irrtum zu korrigieren. Das Mitglied des Sprecherrats der Historischen Kommission der Linkspartei betonte, Ernst Meyer, den zeitweiligen KPD-Vorsitzenden und von den eigenen Genossen später als »Versöhnler« gebrandmarkten Landtagsabgeordneten zitierend, dass die Spaltung der Arbeiterbewegung auf die Kappe rechter Sozialdemokraten ging, ihrer »Burgfriedenspolitik« im Ersten Weltkrieg, und sich eigentlich schon Jahre zuvor angekündigt hatte.

Die »Befürchtungen« von Knabe und Dregger zerfetzte sodann noch einmal kräftig Marcel Bois, ebenfalls Mitglied der linken Geschichtskommission. Er skizzierte die Entwicklung der KPD in der Zwischenkriegszeit. War deren Beitritt zur Komintern im März 1919 noch auf Augenhöhe mit der sowjetrussischen Bruderpartei erfolgt und seinerzeit gar erwogen worden, die KI-Zentrale in Berlin anzusiedeln, mutierte die KPD ab Mitte der 1920er, nach dem Scheitern der Hoffnung auf einen »deutschen Oktober«, zu einem Anhängsel Moskaus. Unter Ernst Thälmann orientierte sich die KPD sklavisch am bolschewistischen Parteientyp, Redeverbote und Ausschlüsse erstickten den Pluralismus und die Diskutierfreudigkeit der Anfangsjahre. Einen Grund für den »fundamentalen Wandel mit fatalen Folgen« - bis hin zur Verfolgung Tausender deutscher Kommunisten im sowjetischen Exil und der Ausweisung dorthin geflüchteter Antifaschisten an Nazideutschland - , sieht Bois im bedingungslosen Internationalismus der KPD, ohne diesen per se zu geißeln.

Rhonda Koch, seit 2011 Mitglied in Die Linke.SDS, berichtete über ihre Annäherung an Rosa Luxemburg. Mit 14 Jahren habe sie von ihrem Vater ein Poster geschenkt bekommen, auf dem deren Ausspruch stand: »Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark!« Erst fand sie es albern, später dann doch passend zur deutsch-polnischen Revolutionärin und Theoretikerin. Ihre Identifikation mit Rosa Luxemburg bezieht die Geschäftsführerin des Studierendenverbands insbesondere auf deren hehres Ziel, »dass die große arbeitende Masse aufhört, eine regierte Masse zu sein, vielmehr das ganze politische und wirtschaftliche Leben selbst lebt und in bewusster freier Selbstbestimmung lenkt«. Rhonda Koch verwies zudem auf Luxemburgs Mahnung, dass die Partei stets den Pulsschlag der Massen fühlen müsse.

Wie die heutige Linke dies erreichen könne, wollte man aus dem Mund des Parteivorsitzenden Bernd Riexinger erfahren. Nach einem historischen Schnelldurchlauf, ebenfalls sehr kritisch, offerierte er Schlussfolgerungen: Demokratie und Sozialismus gehören zusammen, Presse- und Meinungsfreiheit sind zu verteidigen, Minderheiten zu respektieren, aber auch Mehrheitswillen. Mehrheiten seien zu gewinnen und Spaltungen zu verhindern. Und: Es gelte, die SPD nach links zu treiben. Das Scheitern des Neoliberalismus habe nicht wie erhofft zur Stärkung der Linken geführt, im Gegenteil den Rechtspopulisten genützt, bedauerte Riexinger, der zugleich auf saubere Unterscheidung zwischen Rechten und Neofaschisten beharrte. Es sind stärker Alternativen zur herrschenden Politik und dem Kapitalismus aufzuzeigen, sagte er und bekräftigte abschließend: »Wir lernen von denen, die für die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse gestritten haben.«

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