Schwierige Abwehrlinie

Die Länder haben genug Geld, um den öffentlichen Dienst besser zu bezahlen - sie haben jedoch nur wenig Einfluss darauf, dass das so bleibt

Anders als in der Privatwirtschaft, wo in Tarifverhandlungen um die Aneignung der Gewinne gekämpft wird, streitet man im öffentlichen Dienst um den Einsatz von Steuermitteln. Und die scheinbar genetische Eigenschaft von öffentlichen Kassen ist es, leer zu sein oder sein zu werden, insbesondere, wenn auch noch die Ansprüche der Staatsbediensteten erfüllt werden. Verweise auf die angeblich angespannte Finanzlage sind deshalb fester Bestandteil von Lohnverhandlungen im öffentlichen Dienst. Die aktuelle Tarifrunde der Bundesländer, die am Mittwoch und Donnerstag fortgesetzt wird, ist da keine Ausnahme.

Die Gewerkschaften des öffentlichen Diensts fordern für die mehr als eine Million Tarifbeschäftigten der Länder (außer Hessen, wo separat verhandelt wird) sechs Prozent mehr Gehalt, monatlich jedoch mindestens 200 Euro. Die angestrebte Einigung soll auf 1,2 Millionen Beamte übertragen werden. Wie üblich haben die Länder die Forderungen zurückgewiesen. Sie würden mehr als 2,7 Milliarden Euro pro Jahr und bei Übertragung auf den Beamtenbereich mehr als acht Milliarden Euro kosten, rechnet Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vor. Der amtierende Chef der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) verweist zudem den Schuldenberg der Länder und die Schuldenbremse. »Das bedeutet, dass es Vorgaben an die Länder gibt, von ihren 750 Milliarden Schulden etwas zurückzubezahlen.«

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Allerdings ist es in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen für öffentliche Arbeitgeber schwieriger, die traditionelle Abwehrlinie zu halten. Denn auch Kollatz räumt ein, »dass es den Ländern jetzt finanziell besser geht als früher«. Sie erzielten im vergangenen Jahr einen Überschuss von über 17,1 Milliarden Euro. In den kommenden zwei Jahren sind weiter steigende Steuereinnahmen prognostiziert, selbst wenn sich das Wachstum abschwächt. Der Stabilitätsrat zur Haushaltsüberwachung hatte in seinem aktuellen Bericht vom Dezember bei der Mehrheit der Länder nichts zu beanstanden. »Es droht keine Haushaltsnotlage«, bescheinigte ihnen das Kontrollgremium. Nur Bremen und Saarland befinden sich weiter im »Sanierungsverfahren«.

In der Vergangenheit haben die Länder ihren Haushalt stark über die Personalkosten - sprich: die Löhne der Beschäftigten - konsolidiert. Sowohl bei der Zahl der Angestellten als auch bei der Bezahlung sehen die Gewerkschaften einen erheblichen Nachholbedarf. So könnten im Jahr 2030 insgesamt über 800 000 Stellen im öffentlichen Dienst unbesetzt sein, warnen sie. Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft seien die Einkommen der Länderbeschäftigten seit dem Jahr 2000 um rund vier Prozent weniger gestiegen. Auch die Kollegen in Bund und Kommunen verdienen mehr.

Die Länder haben ein strukturelles Problem: Ihre Einnahmen werden maßgeblich von der Bundesebene bestimmt. Steuersenkungen, wie die geplante Abschaffung des Solidaritätszuschlags, werden ihre Überschüsse schmälern. Auf andere Einnahmequellen wie die Vermögenssteuer verzichtet der Bund seit 1997. Die Gewerkschaften beharren jedoch darauf, dass nicht die Beschäftigten für diesen Verzicht bezahlen dürften. Sie hätten das gleiche Recht auf gute Löhne wie alle anderen auch, argumentiert ver.di.

Ihnen werden nun zwar Tariferhöhungen in Aussicht gestellt - insbesondere dort, wo Fachkräfte fehlen, wollen die Länder etwas drauf legen. Zugleich deutete Verhandlungsführer Kollatz an, dass sie sich im Vergleich zu den Kollegen in Bund und Kommunen weiter bescheiden müssten. Schließlich hätten die Länder mehr als doppelt so viele Beschäftigte wie beide zusammen. Bei den Ländern schlagen die Personalausgaben mit 35 Prozent zu Buche, beim Bund machen sie lediglich elf Prozent aus, bei den Kommunen 27 Prozent.

Die Finanzminister der Länder gehen ohne Angebot in die zweite Tarifrunde. Man wolle in der dritten Runde zu einem Paket kommen, sagt Kollatz. Für die Gewerkschaften liefert der Verzicht auf ein Angebot in der Regel die Vorlage, um ihre Mitglieder zu Warnstreiks aufzurufen. Bislang kam es vereinzelt zu Ausständen. Diese könnten sich nach dieser Woche ausweiten.

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