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Enteignen - aber richtig
Jana Frielinghaus über das Recht auf Wohnen und das Grundgesetz
Das Recht auf ein Zuhause, das man sich leisten kann, gehört zu den im UN-Sozialpakt von 1966 postulierten Menschenrechten. Angesichts der Unverschämtheit, mit der Immobilienkonzerne Mieter in die Armut treiben, ist es an der Zeit, Artikel 15 des Grundgesetzes endlich zum ersten Mal anzuwenden. Danach ist es zulässig, »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel« in Gemeineigentum zu überführen - gegen Entschädigung. Wie hoch die sein sollte, steht dort nicht.
Im Berliner Volksbegehren »Deutsche Wohnen enteignen« wird verlangt, Gesellschaften, die jeweils mehr als 3000 Wohnungen besitzen, in eine Anstalt öffentlichen Rechts zu überführen. Das beträfe rund 243000 Wohnungen. Mit mehr als 100000 gehören die mit Abstand meisten davon der für das Volksbegehren titelgebenden Deutschen Wohnen. Die meisten sind im Bestand der ehemals städtischen Wohnungsgesellschaft GSW, heute eine Tochter des Konzerns, die aktuell 61000 Quartiere im Portfolio hat. Die Deutsche Wohnen hat die GSW 2013 von einem Konsortium von Kapitalanlagegesellschaften übernommen. Das Konsortium wiederum hatte die »Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft« 2004 mit seinerzeit 65700 Wohnungen von der Stadt erworben – auf Beschluss des damaligen rot-roten Senats. Ihr Verkauf war der größte Brocken in der langen Reihe der Berliner Wohnungsprivatisierungen seit 1990, von denen insgesamt rund 200000 Wohnungen betroffen waren.
Die Kaufsummen aus der Zeit der Privatisierungen erscheinen klein, setzt man sie ins Verhältnis zu den seither erzielten Renditen – und zu den Entschädigungssummen, die derzeit im Gespräch sind. Im Volksbegehren wird verlangt, die betroffenen Firmen »deutlich unter Marktwert« zu entschädigen. Die Initiatoren schätzen, dass den Unternehmen 7 bis 14 Milliarden Euro zu gewähren wären. Der rot-rot-grüne Senat geht sogar von 28 bis 36 Milliarden aus. Angesichts dringend benötigter Gelder für den Neubau bezahlbarer Wohnungen in öffentlicher Hand wäre mindestens letzteres Irrsinn. Eine Enteignung, die dem Gemeinwohl diente, müsste für die Unternehmen mindestens sehr schmerzhaft sein.
Dieser Text ist die korrigierte Version eines Kommentars aus der nd-Ausgabe vom Montag, dem 8.4.2019, der sachliche Fehler enthielt.
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