Wohnungsnot auf der landespolitischen Agenda

Initiative in Schleswig-Holstein will Forderung nach bezahlbarem Wohnraum in die Verfassung aufnehmen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 2 Min.

Mit großem Engagement wurden landesweit über 35.000 Unterschriften gesammelt und damit die erforderliche Marke von 20.000 deutlich übertroffen. Trotz des erfolgreichen Schrittes ist die Volksinitiative, die vom Mieterbund und vom Sozialverband getragen wird, noch weit vom angestrebten Ziel entfernt.

Im Kieler Landtag wurde die Legitimation der Initiative am Mittwochabend einstimmig bestätigt. Nun hat der Landtag vier Monate Zeit, sich inhaltlich zu positionieren. Dementsprechend rutscht das Thema auf eine der nächsten Sitzungen des Innen- und Rechtsausschusses. Bei einer Aussprache dazu im Landesparlament überwog zunächst allerdings Skepsis.

Die Initiatoren der Volksinitiative hatten unter anderem auf Bayern verwiesen, wo der Wohnpassus in der Landesverfassung verankert ist. Genau das Beispiel führten aber auch die Kritiker von CDU, Grünen und FDP an, die zwar unisono selbstkritisch einräumten, dass in den vergangenen Jahren der soziale Wohnungsbau sträflich vernachlässigt wurde. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass trotz Verfassungsrangs kein individueller Wohnraum einklagbar sei.

Mit der Volksinitiative ist das dringliche Thema Wohnungsnot zumindest auf die landespolitische Agenda gehoben worden. Seit dem 31. Dezember 2018 unterliegen in Schleswig-Holstein wieder 20.000 öffentlich geförderte und preiswerte Wohnungen nicht mehr der Mietpreisbindung. Das basiert auf einer 2009 getroffenen Entscheidung, als in Kiel die CDU regierte. Laut dem Mieterbund hat das Land aktuell nur noch etwa 47.000 Sozialwohnungen in seinem Bestand, es fehlen hingegen 120.000.

Die SPD spricht davon, dass allein in Kiel und Lübeck etwa 24.000 bezahlbare Wohnungen fehlen. Um so unverständlicher ist, dass die aktuelle CDU/Grüne/FDP-geführte Regierung in punkto Mieterschutz gerade erst die Mietpreisbremse aufgehoben hat.

Bereits 2013 hatte die damalige Piratenfraktion ein Zweckentfremdungsverbot zur Sicherung bezahlbaren Wohnraums gefordert, fand aber in einer SPD-geführten Regierung ebenso keine Mehrheit wie 2018 der Südschleswigsche Wählerverband, der mit einem Antrag auf ein Wohnraumschutzgesetz am Jamaika-Bündnis scheiterte. Wohnungsbauminister Hans-Joachim Grote (CDU) setzt unterdessen auf den Faktor Geld statt auf Regulierungsvorschriften. Er sagte, dass aus dem Landeshaushalt innerhalb von vier Jahren 788 Millionen Euro für die Ankurbelung von Wohnungsbau im preisgünstigen Segment zur Verfügung gestellt würden.

Zustimmung in der Debatte bekam die Volksinitiative ausgerechnet von einer Seite, auf die sie gerne verzichten möchte: Von der AfD. Diese fiel zuletzt in Kiel schon mehrmals damit auf, mit sozialpolitischen Themen eine angebliche Bürgernähe und -freundlichkeit zu suggerieren.

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