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Deutschlands reiche Erben
Behörden registrieren nur einen Teil des vererbten Vermögens
Die Erbschaftswelle rollt weiter durch Deutschland: Im vergangenen Jahr registrierten die Finanzverwaltungen Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 84,7 Milliarden Euro, berichtete das Statistische Bundesamt am Freitag. Dies war zwar weniger als in den Jahren 2014 bis 2016, als jeweils über 100 Milliarden Euro gezählt wurden. Diese Spitzenwerte resultierten jedoch aus der »günstigen Rechtslage«, erklärte das Bundesamt. Damals waren große Teile des übertragenen Vermögens noch von der Steuer verschont. Dies wurde genutzt, um die Übertragung insbesondere von Betriebsvermögen vorzuziehen.
Die vom Bundesamt errechneten 84,7 Milliarden Euro sind allerdings nur der Teil des übertragenen Vermögens, der steuerlich berücksichtigt wird. Das gesamte Erb- und Schenkungsvolumen schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf etwa 300 Milliarden Euro jährlich. Da das Vermögen in Deutschland hoch konzentriert ist, profitieren vom Vermögenstransfer vor allem die Wohlhabenden. Laut DIW-Forscher Stefan Bach erbt die Mehrheit der Deutschen nichts oder nur wenig. Mehr als 50 000 Euro könnten nur 45 Prozent der Deutschen erwarten, mehr als 200 000 nur acht Prozent. Und 0,1 Prozent der Deutschen erhalten mehr als fünf Millionen Euro.
Diese Wohlhabenden profitieren von den günstigen Erbschaftsteuerregeln in Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt nahm der deutsche Staat 2018 über die Erbschaftsteuer nur 5,7 Milliarden Euro ein. Dieser Betrag könnte laut DIW-Ökonom Bach verdoppelt werden, »würden die überzogenen Privilegien für Wohlhabende reduziert«. Bach schlägt unter anderem vor, Unternehmensübertragungen von über zehn Millionen Euro mit mindestens zehn Prozent zu besteuern, die Steuervergünstigungen für Immobilien oder Stiftungen reduzieren oder die Möglichkeit einzuschränken, die Freibeträge für Schenkungen alle zehn Jahr neu zu nutzen.
In der Bevölkerung allerdings sind Erbschaftsteuererhöhungen nicht beliebt. »Das ist sehr merkwürdig«, sagte der Ungleichheitsforscher Branko Milanovic dem »nd«. »Denn die Erbschaftsteuer ist eine Reichensteuer, die die meisten Menschen wegen der hohen Freibeträge gar nicht zahlen müssen.«
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