- Wirtschaft und Umwelt
- Deutsche Autoindustrie
Zu breit für die Waschstraße
Umwelthilfe kritisiert absurde Innovationen der deutschen Autoindustrie
Die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main wurde von den Veranstaltern früher gerne als größte Automesse der Welt angekündigt. Inzwischen ist sie »zu einer regionalen Hausmesse für BMW, Daimler und Volkswagen zusammengeschrumpft«, wie es die Deutsche Umwelthilfe (DUH) formuliert. Fast alle ausländischen Hersteller hätten ihre Teilnahme an der Veranstaltung im September abgesagt, was laut dem Umweltverband an der falschen Schwerpunktsetzung auf Verbrennungsmotoren und übermotorisierte Stadt-Geländewagen (SUVs) liege.
Trotz großspuriger Ankündigungen und milliardenschwerer Investitionspläne haben die deutschen Hersteller laut einer am Dienstag vorgestellten DUH-Auswertung bei reinen Elektroautos derzeit ganze drei bestellbare Modelle im Angebot. Bei Klein- und Mittelklassewagen seien von VW und Smart in den vergangenen Monaten drei Modelle sogar »still und heimlich« aus dem Sortiment genommen worden. Kein Wunder also, dass sich unter den 20 weltweit meistverkauften Elektro-Pkw des Jahres 2018 kein einziges »Made in Germany« findet.
Der Verband der Automobilindustrie reagierte postwendend: »Jedes zweite Elektroauto, das in den ersten sieben Monaten in Deutschland neu zugelassen wurde, trägt ein deutsches Konzernmarkenzeichen«, heißt es in einer Erklärung. Bis zum Jahr 2023 würden die deutschen Hersteller ihr E-Modellangebot auf über 150 verfünffachen.
Die DUH hält wenig von solchen Ankündigungen und kontert mit der Wirklichkeit: Für 2020 hätten hiesige Hersteller kein einziges Elek-trofahrzeug in der volumenstarken Mittelklasse angekündigt. Den technologischen Rückgang gegenüber den führenden Herstellern beziffert der Umweltverband auf mittlerweile fünf bis sieben Jahre. Um aufzuholen, müssten die Ingenieursteams ausschließlich mit der Entwicklung von Elektrobussen und batterieelektrischen Pkw- und Nutzfahrzeugen betraut werden. Real seien hingegen »absurde Innovationen« wie SUVs, die nicht mehr in Parkbuchten passen und zwei Parkplätze benötigen oder zu breit für Waschstraßen sind - der neue Mercedes GLS knickt seine Räder dort nach innen ein. »BMW, Daimler und VW setzen weiterhin auf immer größere, schwerere und klimaschädliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren - und die von ihnen ferngesteuerte Bundesregierung lässt sie gewähren«, schimpft der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch.
Der von der deutschen Autoindustrie wegen eigener Abgasmessungen und Dieselfahrverbotsklagen meistgehasste Umweltverband belässt es jedoch nicht bei Kritik, sondern hat eine Reihe konkreter Vorschläge parat. So beinhaltet ein jetzt vorgelegter »Zwölf-Punkte-Plan für eine zukunftsfähige Automobilindustrie« neben der Offenlegung sämtlicher Abschalteinrichtungen und der Umrüstung alter Diesel-Pkw mit Abgasreinigungssystemen auch eine Selbstverpflichtung der Konzerne zu einem Verkaufsstopp für besonders klimaschädigende SUV-Modelle. Die DUH sieht jedoch vor allem die Politik gefragt: keine Neuzulassung von reinen Verbrenner-Pkw in Deutschland ab 2025, steuerliche Förderung abgasarmer Pkw sowie Belastung von Spritschluckern und ein Tempolimit auf Autobahnen.
Bei der bevorstehenden IAA wird von all dem nichts zu spüren sein. Ein fataler Fehler, findet Jürgen Resch: »Wenn die Bundesregierung BMW, Daimler und VW keine Radikalkur in Richtung Zukunftsfähigkeit und Umstieg auf alternative Antriebe verordnet, werden diese in wenigen Jahren nur mehr ein Nischendasein als Hersteller für Oldtimer-Ersatzteile fristen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.