Die Stunde der Zyniker

Wolfgang Hübner über den Angriff der Türkei auf syrische Kurden

Recep Tayyip Erdogan hat seinen Ruf als gnadenloser Zyniker wieder einmal bestätigt. Die Rechte und Interessen des syrischen Volkes hätten höchste Priorität für die Türkei, erklärte deren Präsident kurz vor dem Überfall. Er teilte dies nach eigenen Angaben dem russischen Präsidenten mit, wenige Stunden vor Kriegsbeginn.

Kommt ganz darauf an, wen er zum syrischen Volk zählt. Offenbar nicht die Kurden Nordsyriens, denn gegen die und ihre YPG-Miliz richtet sich der von Bombardierungen eingeläutete Angriff. Erdogan will die ihm verhassten Kurden verdrängen, sein Einflussgebiet erweitern - auch gegen die syrische Armee - und Flüchtlinge aus Syrien in der besetzten Region ansiedeln.

Offenbar gibt es weltpolitisch niemanden, der ihn aufhält, weil Syrien ohnehin allen nur als Spielball gilt. Donald Trump hat mit dem US-Truppenabzug aus der Region genau die kurdischen Milizen zum Freiwild erklärt, die bisher erfolgreich gegen die islamistischen IS-Terroristen vorgegangen sind. Russland, das einerseits Syriens Präsident Assad unterstützt und andererseits eine Machtachse mit der Türkei bildet, wollte oder konnte Erdogan nicht von dem Waffengang abhalten. Und die EU fordert nun Zurückhaltung, ist aber klammheimlich froh, dass Erdogan seine Flüchtlingsprobleme Richtung Syrien entsorgt und nicht Richtung Europa. Zynismus, wohin man schaut. In diesem neuen Krieg, kaum dass er begann, haben sich die Großmächte schon jetzt die Hände schmutzig gemacht.

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