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Aufbruch sieht anders aus
Halbzeitbilanz von Schwarz-Gelb in NRW: Law-and-Order-Politik ist populär, Umwelt dagegen nur ein Randthema
Ein Rückblick auf zweieinhalb Jahre schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen kann nur mit dem Thema Hambacher Forst beginnen. Das besetzte Waldstück zwischen Köln und Aachen, das einem Braunkohletagebau weichen sollte, bestimmte die Landespolitik in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 und wirft noch immer Fragen auf. Welchen Einfluss hatte der Energiekonzern RWE auf die Entscheidung den Wald zu räumen? Warum suchte die Landesregierung krampfhaft einen Vorwand, um die Baumhäuser zerstören zu können? Und wieso folgte kein Wort der Reue, als erst eine Gerichtsentscheidung die Rodung des Waldes stoppte und sich dann auch noch die Kohlekommission für dessen Erhalt aussprach?
Zwar ist Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mittlerweile auf den Klimazug aufgesprungen und betont, er habe den Wald gerettet, doch das wirkt nicht unbedingt glaubhaft. Menschen in den Dörfern am Rand des Tagebaus Garzweiler leben weiterhin im Ungewissen, ob ihre Dörfer nicht doch der Kohle weichen müssen. Laschet war dort nur für einen Kurzbesuch und spielt politisch auf Zeit. Der Kohleausstieg müsse erst in Berlin in einen Gesetzestext gegossen werden, sagte er, bevor in Nordrhein-Westfalen eine neue Leitentscheidung getroffen werden könne, die über den Erhalt der Dörfer bestimme.
Allgemein ist die Umweltpolitik ein Knackpunkt der Koalition aus CDU und FDP. Zwar hat Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart verkündet, mit der CO2-Vermeidung weit gekommen zu sein. Im vorigen Jahr habe NRW die Emission bereits um 28 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt und prüfe nun weitere Minderungsziele - was jedoch schwierig werden dürfte. Der Windenergieausbau leidet unter neuen Abstandsregelungen, die mindestens 1500 Meter Abstand zum nächsten Wohngebiet vorsehen. Zahlreiche Flächen, die eigentlich für Windräder geeignet sind, kommen so nicht mehr in Betracht. Verheerend für die Energiewende und auch für die Wirtschaft, wie die jüngste Ankündigung des Windradherstellers Enercon zeigt, der bis zum kommenden März 3000 Arbeitsplätze abbauen will.
Dass Nachhaltigkeit nicht das Thema von Schwarz-Gelb ist, zeigte die Landesregierung schon in ihrer Frühphase. In mehreren »Entfesselungspaketen« wurden Maßnahmen der Vorgängerregierung revidiert, darunter zum Beispiel das Tariftreuegesetz, in dem festgehalten wurde, dass öffentliche Aufträge nicht nur nach Preiskriterien vergeben werden, sondern Sozial- und Umweltstandards auch eine Rolle spielen. Nicht die einzige Rücknahme einer politischen Entscheidung der rot-grünen Vorgängerregierung. Auch bei der Schulpolitik ist die auffälligste Maßnahme die Rückkehr zur gymnasialen Oberstufe von neun Jahren (G9). Allerdings hatten auch SPD und Grüne in diesem Punkt Reformbedarfe gesehen. Was sich hingegen nicht geändert hat, ist der marode Zustand vieler Schulen in Nordrhein-Westfalen. Hier hat die Landesregierung zwar Geld bereitgestellt, kommt dem Sanierungsstau in Milliardenhöhe allerdings nicht hinterher.
Bei den Straßen sieht es nicht besser aus, obwohl CDU wie auch FDP im Wahlkampf gegen Staus polemisierten, sind diese in den ersten zweieinhalb Jahren unter ihrer Verantwortung länger und nicht kürzer geworden. Auf den Schienen zwischen Rhein und Ruhr ist auch einiges im Argen. Dass Verkehrspolitik auch Bus und Bahn betrifft, ist erst durch den öffentlichen Druck der Klimadebatte bei der Landesregierung angekommen.
Lange hat es gedauert, bis die Landesregierung bei ihrer groß angekündigten »Ruhrkonferenz« Ergebnisse präsentieren konnte. Und die über 70 Projekte, darunter die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2032, scheinen nicht geeignet, um Kinderarmut und Massenarbeitslosigkeit wirklich eindämmen zu können. Was sich in den Vorschlägen findet, ist die verstärkte Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Eines der Lieblingsthemen von Innenminister Herbert Reul. Immer wieder rücken Hundertschaften der Polizei aus und kontrollieren Shisha-Bars und Cafés in migrantisch geprägten Vierteln. Das ist ein Vorgehen, das die teilweise guten Maßnahmen in der Integrationspolitik des Landes konterkarieren. Ordnungspolitik hat in Nordrhein-Westfalen unter Schwarz-Gelb aber eine wichtigere Rolle. Ein Beweis dafür lieferte das vor knapp einem Jahr eingeführte neue Polizeigesetz. Ein erster Entwurf, der massiv kritisiert wurde, musste zurückgezogen werden, eine zweite Variante fand dann sogar die Unterstützung der Sozialdemokraten. Allerdings gibt es noch immer massive Bedenken. Der Verein »Digitalcourage« legte jüngst gegen die im Gesetz vorgesehene Online-Durchsuchung Verfassungsbeschwerde ein.
Bei den Menschen in NRW kommt diese Politik allerdings gut an. Die Umfragewerte für die CDU sind stabil, Ministerpräsident Armin Laschet hat gute Popularitätswerte. Nur die FDP schwächelt in den Umfragen, sodass Schwarz-Gelb derzeit keine Mehrheit hätte.
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