Demos - das treibende Element

Die Bewegung »Fridays for Future« hat in der deutschen Klimapolitik einiges bewegt - das Bündnis wächst weiter

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit dem Ritual der freitäglichen Klimademo geben sich die Aktivisten von »Fridays for Future« nicht mehr zufrieden. Zwar werden allein in Deutschland am Freitag Hunderttausende Teilnehmende zum »Global Strike« erwartet - noch nie aber waren die Aktionen so vielfältig. Und gleichzeitig werden sie von einem stetig wachsenden gesellschaftlichen Bündnis getragen, das längst nicht mehr nur Studierende und die Wissenschaftler von »Scientists for Future« umfasst.

So ruft in Kiel eine Turbo-KlimaKampf-Gruppe für den Nachmittag zu mobilen Straßenblockaden in der Innenstadt auf. Damit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Verkehrswende in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins praktisch nicht stattfindet. Kiel brauche Parks statt Parkplätze, breite Fahrradwege und einen kostenlosen, gut ausgebauten Nahverkehr.

Neu ist auch, dass die »Fridays«-Aktivisten den Protest an die »Orte der Zerstörung« wie am Samstag zum Lausitzer Kraftwerk Jänschwalde selbst tragen. Dorthin, wo die Klimakrise weiter angeheizt werde, wie es im Aufruf heißt. Kohlekraftwerke gehörten abgeschaltet, und jedes von Abbaggerung betroffene Dorf müsse erhalten werden.

In einem offenen Brief rechnen die Aktivisten auch mit den Klimaschutzplänen der Bundesregierung ab. Das geplante Klimapaket sei »eine politische Bankrotterklärung«, verdiene seinen Namen nicht und müsse »grundlegend« überarbeitet werden. Deutschlands internationale Verpflichtungen würden ignoriert, schreibt »Fridays for Future« und sieht die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beim Klimaschutz nicht mehr gegeben. »Die Klimabewegung war noch nie so groß wie heute, dennoch sinken die Emissionen nicht«, sagte Franziska Wessel von »Fridays for Future«. »Das macht uns fassungslos.«

Auch der Berliner Wissenschaftler Volker Quaschning, Mitbegründer von »Scientists for Future«, bezeichnet das Klimapaket als inkonsequent. »Sämtliche Ansätze greifen zu kurz. Es ist, als wolle die Feuerwehr ein Haus, das lichterloh brennt, mit einem Glas Wasser löschen.« Die Politik habe offenbar Angst, noch mehr Wähler an die AfD zu verlieren, betont Quaschning, der an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin Professor für regenerative Energien ist. »Die Sorge vor Rechtsaußen ist größer als vor dem Klimawandel

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Mit ihrer Kritik am Klimapaket befinden sich die Schüler und die Wissenschaft in bester Übereinstimmung mit großen Umweltverbänden. »Die Koalition aus SPD und Union ist beim Klimaschutz handlungsunfähig«, kritisiert fast gleichlautend Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser anlässlich der anstehenden Proteste und des am Montag startenden Weltklimagipfels in Madrid. Besonders skandalös ist für Kaiser, dass 2020 mit Datteln 4 ein neues großes Steinkohlekraftwerk ans Netz gehen soll - obwohl die Kohlekommission das Gegenteil empfahl. Der Greenpeacer weist dabei die vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) kolportierte Darstellung zurück, unter der Hand würden auch Umweltschützer zugeben, es sei besser, eine moderne Anlage wie Datteln 4 in Betrieb zu nehmen, als alte Meiler laufen zu lassen. Tatsächlich, betont Kaiser, würden durch die Inbetriebnahme von Datteln 4 die jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland erst einmal um zwei Millionen Tonnen zulegen.

Unisono fordern die Umweltverbände inzwischen Regierung, Bundestag und Bundesrat auf, am vereinbarten Kohlekompromiss nicht zu rütteln, sondern dessen Vorschläge eins zu eins umzusetzen. Bei dieser Zusage steht die Bundesregierung für Martin Kaiser »mit leeren Händen« da. Kein einziges Kohlekraftwerk sei vom Netz gegangen, alle Versprechen, 2019 ein Ausstiegsgesetz zu beschließen, seien gebrochen worden.

Auch der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, zeigt sich von der Großen Koalition enttäuscht: Hatte er vor zehn Monaten den Kohlekompromiss noch mit dem Worten »Besser schlechten Klimaschutz als gar keinen Klimaschutz« unterstützt, korrigierte er sich in dieser Woche. »Wir haben nicht nur schlechten, sondern gar keinen Klimaschutz - wenn nicht sogar eine Klimaschutzverhinderungspolitik.«

Der Dachverbandschef macht das »Verhindern« zum einen an der Absicht der Bundesregierung fest, die mit dem Kohleausstieg frei werdenden CO2-Zertifikate nicht zu löschen. »Dann bekommen wir einen milliardenteuren Kohleausstieg, der keinen Klimaschutz nach sich zieht«, schließt Niebert trocken. Ferner kritisieren die Umweltverbände, dass die Regierung den Ausbau der Windenergie weiterhin massiv ausbremse.

Seitens der Verbände ruhen inzwischen einige Hoffnungen auf den Klimaaktivisten von »Fridays for Future«. »Ohne die großen Demonstrationen in diesem Jahr wären wir noch nicht so weit, wie wir jetzt sind«, lobt Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes NABU. Die Demos seien das »treibende Element«. Das reiche aber noch nicht aus, bekennt Krüger. Deswegen gehe es am Klimastreiktag darum, nochmals ein »starkes Signal zu setzen«.

Diese Aktionen werden dabei, so der NABU-Chef, von den Umweltverbänden »mit aller Kraft« unterstützt - und nicht nur von diesen: Mittlerweile sind auch die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische Wohlfahrtsverband mit von der Partie. Das hat seinen Grund, haben doch die Aktivisten von »Fridays« inzwischen den Kampf um Klimagerechtigkeit zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt.

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