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Eine Punkerin für alle Zeit

Leben, das war für Debbie Harry kämpfen - heute meint es: früh ins Bett mit Vitaminsaft

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Debbie Harry, die wunderbare Frontfrau der New Yorker Charts-Band Blondie, ist 74 Jahre alt und erinnert sich in ihrer eben erschienenen Autobiografie »Face it« an vergleichsweise wilde Zeiten. Geboren in New Jersey, erlebte das Adoptivkind Angela Trimble (so hieß die liebe Debbie einmal) eine konservative und langweilige Kindheit, bis sie Mitte der 60er Jahre das College abbrach und nach New York türmte. Gute Idee, Debbie. Es folgten schwere Jahre, schon auf den ersten Seiten des Buches berichtet sie von Vergewaltigungen. Leben hieß kämpfen. Und sie kämpfte wie Sau!

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Debbie Harry: Face it. Heyne, 432 S., geb., 25 €.

New York war damals kulturell ein Dorf, die wenigen progressiven Musiker und Künstler kannten einander, man teilte Sozialwohnungen, das CBGB (DER populäre Club der Punkszene), das Bier, die Betten und die Drogen. Andy Warhol lief mit einer Polaroid herum und fand alles crazy und nice, indes Debbie bei verschiedenen Bandprojekten ihr Glück versuchte. Als sie Anfang der 70er Jahre endlich ihren Lebensmenschen/Künstler Chris Stein traf, nahm ihre Musikerinnenkarriere Fahrt auf.

Debbie und die Band Blondie wurden die Vorreiter des Punk in New York und entflammten mich in meiner Jugend durch gnadenlos feurige Musik. Und natürlich durch Debbie, die Erscheinung am Mikrofon. Sie war betörend, wild, schön, frech, stylisch, sie sah unheimlich gut aus. Fans und Medien nannten sie Barbarella des Heroins, Marilyn des Punk, Barbie des Feminismus, Johanna der Gosse, Mutter Teresa des Village ...

Für immer Punk, Debbienahm mit, was ihr das Leben bot. 1979 hatten Blondie mit dem Song »Heart of Glass« ihren internationalen Durchbruch. Es folgte die immerwährende Party. In New York und auf der ganzen Welt waren Blondie plötzlich hip und füllten die Säle mit hysterischen Jugendlichen. Regelmäßig war die Hölle los, mitten im Auge des Popstarwahnsinns: Debbie Harry. Da kann man schon mal den Überblick verlieren - was Geld, Drogen und das Leben in der Starblase so mit sich bringen. Wenn dann auch noch ein falscher Manager und ein geldgieriger Plattenkonzern bestimmen, wo es langgeht, wird es irgendwann kompliziert. Ich will machen, was ich will! Nö, den Stil von Blondie bestimmen wir, es soll sich ja verkaufen! Steuern, was ist das? Ich lebe im Hier und Jetzt und denk nicht an morgen. Diese alte Schlagerweisheit traf auch auf Blondie zu.

Mitte der 80er war die Band klinisch tot. Ihre Musiker heillos zerstritten, von der Plattenfirma gedemütigt, vom Heroin außer Gefecht gesetzt. Debbie trat als Solokünstlerin auf und hatte ihren Spaß. Sie machte Mode, bereicherte diverse Filme mit ihrer Anwesenheit (unter anderem »Hairspray« von John Waters) und gab ihrem Affen Zucker.

1997 meldeten sich Blondie plötzlich mit ihrem siebten Album zurück. Seitdem touren sie regelmäßig um die Welt, erfreuen sich an Ehrungen aller Art, gehen früh ins Bett und stehen auf Vitaminsaft. Politisch ist Debbie knorke drauf - Trump ist ein Arsch, sie setzt sich für Natur und Umwelt ein. Mittlerweile lebt sie auf dem Land und hat mit ihren Kötern Spaß, was man halt so macht mit 74.

Das und noch viel mehr steht in ihrem Buch. Nach hintenraus ist die Autobiografie ein wenig lahm, auch weil Debbie ihr Leben in den Griff bekam und fortan weniger Punk stattfand. Doch wer einmal der Musik von Blondie und the personal Debbie in den 80ern erlag, wird dieses Buch, angereichert mit unzähligen Debbie-Harry-Porträts (Fotos, Zeichnungen, Gemälde), verschlingen wie ein herrlich blutiges Pfeffersteak.

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