Gefährlicher als bengalische Feuer

Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwochabend mehrere Klagen gegen das Vereinsverbot von »linksunten.indymedia« abgewiesen.

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 5 Min.

Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Die Polizei klopft am frühen Morgen bei ihnen an. Ihre Privaträume werden durchsucht. Ihnen wird eine Verbotsverfügung zugestellt. Für einen Verein, in dem sie nicht Mitglied sind. Sie wollen dagegen klagen, auch, um die von der Polizei beschlagnahmten Gegenstände zurückzubekommen. Sie können nicht, weil nur der Verein, den es gar nicht gibt, gegen das Verbot des Vereins klagen kann.

Klingt skurril, hat aber weitreichende Folgen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwochabend mehrere Klagen gegen das Vereinsverbot von »linksunten.indymedia« abgewiesen. Die Klagen seinen zwar zulässig, aber unbegründet, so das Gericht. Geklagt hatten fünf Personen, denen die Verbotsverfügungen zugestellt worden waren. Als nach den Ausschreitungen im Schanzenviertel während des G20-Gipfels dringend irgendetwas gegen die linke Szene getan werden musste, verbat der damalige Innenminister Thomas de Maiziere die Plattform mit einem juristischen Kniff: Um die höheren Voraussetzungen des Telemediengesetzes zu umgehen, verbot er linksunten.indymedia mittels des Vereinsrechts. Am letzten Samstag schloss sich dann der Kreis, eine Demonstration in Leipzig gegen das Verbot machte Randale und einige Autonome fühlten sich wohl kurz wie damals in Hamburg im Schanzenviertel.

Das Bundesverwaltungsgericht vertrat nun am Mittwoch die Ansicht, dass gegen das Verbot eines Vereins nur der Verein selber klagen darf – sofern seine Mitglieder dies entschieden haben. Die Rechtsanwälte, die mit der Strategie nach Leipzig gekommen waren, möglichst wenig zur Rolle ihrer Mandanten bei linksunten.indymedia durchblicken zu lassen, gleichzeitig aber eine Überprüfung durch das Gericht erwirken wollten, brachte das in ein Dilemma.

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Wenn ihre Mandanten einräumen würden, sie wären Teil von linksunten.indymedia, könnte dies für sie weitreichende Folgen haben. Strafrechtlich könnte ein bereits eingestelltes Verfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung wieder aufgenommen werden. Des Weiteren könnten beispielsweise Faschisten, deren Adressen auf der Plattform veröffentlicht worden sind, gegen die Betreiber vorgehen.

Die Klage wurde zwar für zulässig erachtet. Das Bundesverwaltungsgericht prüfte aber lediglich, ob es einen Verein gibt. Dass sich das Bundesverwaltungsgericht aus formellen Gründen darum gedrückt das Verbot im Lichte der Pressefreiheit zu überprüfen, ist ein Riesenproblem. Im Grunde ist es nämlich so: Das Urteil verlangt von den Klägern, sich dem Risiko einer Strafverfolgung auszusetzen, um sich gegen ein konstruiertes Vereinsverbot wehren zu können. Die Entscheidung des Gerichtes ist somit reichlich janusköpfig: Auf der einen Seite repräsentieren die Kläger den Verein, deshalb wurden ihre Wohnungen durchsucht und ihnen die Verbotsverfügungen zugestellt. Auf der anderen Seite sollen diese Menschen aber nicht gegen das Verbot klagen können.

Nun könnte man sagen, die Beschuldigten seien zu feige gewesen, ihr Gesicht für den Prozess hinzuhalten. Sicherlich wären die Chancen auf eine inhaltliche Bewertung des Verbots höher gewesen, hätten die Kläger versucht, als Verein aufzutreten. Bei einem Verein den es gar nicht gibt, wäre natürlich die Frage gewesen, wer eigentlich zu diesem Verein dazugehört. Hätten die fünf Kläger gereicht oder hätten noch mehr Menschen zustimmen müssen? Als Begründung, weshalb gerade die fünf Betroffenen vom Bundesinnenminister als Betreiber der Webseite angesehen werden, wurden übrigens fast ausschließlich nachrichtendienstliche Erkenntnisse aufgeführt, also Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, die De Maiziere unter anderem mit dem Einsatz eines Spitzels gewann.

Linke Randale sind das kleinste Problem

Das Verbot einer Plattform wie linksunten.Indymedia und die Weigerung des Gerichtes, die Handlungen des Bundesinnenministers zu überprüfen, hätten zu einer anderen Zeit einen größeren Aufschrei ausgelöst. Doch Indymedia hat seine Hochzeit lange hinter sich. Ein Haufen linker Bewegungsgeschichte ist verschüttgegangen, da viele der regionalen Seiten eingestellt wurden. Es sind kommerzielle Plattformen wie Facebook und Twitter entstanden, die das Hochladen von Inhalten viel einfacher und vor allem ansprechender anboten. Wenngleich sich der optische Aufbau der meisten linksunten.Indymedia-Seiten noch immer an das Stilempfinden Autonomer aus den späten 90er Jahren richtet, sind einige der Ziele, mit denen die Gründer*innen antraten, nach wie vor aktuell: Ein anonymes Internet, in dem ohne Angst vor Strafverfolgung diskutiert werden kann.

Und so sehr linksunten.Indymedia aus der Zeit gefallen scheint, ist das Verbot voll auf der Höhe derselben. Das Gericht hat in seiner Entscheidung klargemacht, dass auch ein Verein, der als Presseorgan tätig ist, unter das Vereinsgesetz fällt und nach diesem verboten werden kann. En passant und obwohl gar nicht der konkrete Verbotsfall geprüft wurde, hat das Gericht hier womöglich eine weitreichende Entscheidung getroffen. Nach dieser Rechtsauffassung können fortan Horst Seehofer und alle künftigen Innenminister sorglos Blogs, Medienplattformen und sogar Zeitungen verbieten.

In einer Zeit also, in dem ein Bundesinnenminister aus einer politischen Stimmung heraus in Aktionismus verfällt und eine Medienplattform verbietet und ein Bundesverwaltungsgericht dem zustimmt und sogar Tür und Tor öffnet für weitere Verbote, ist die Randale einiger autonomen Matschbirnen zwar ein ärgerliches, aber längst nicht unser größtes Problem.

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