Wo der Feind steht

SIEBEN TAGE, SIEBEN NÄCHTE: Hasstiraden von Politikern bleiben eben nicht ohne Wirkung, meint Wolfgang Hübner

Preisfrage: Von wem stammt der Satz »Wir werden uns sträuben bis zur letzten Patrone und niemals nachgeben, dass wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bekommen - das wollen wir nicht!«? Zusatzfrage: Was fällt Ihnen dazu aktuell ein?

Na? Antwort Nummer 1: Horst Seehofer, 2011, damals CSU-Vorsitzender, am Politischen Aschermittwoch; vermutlich fand er das sogar lustig. Tä-täää! Antwort Nummer 2: Sie wissen schon.

Nein, natürlich soll hier keine direkte Linie von der Seehofer-Äußerung zu den Morden von Hanau gezogen werden. Aber Hasstiraden von Politikern bleiben eben nicht ohne Wirkung. Sie werden in Echokammern hineingesprochen, in denen sie widerhallen und sich vervielfachen.

Inzwischen spielt Seehofer, durch die eigenen Leute zwangsbefreit vom Parteiamt, auf seinem Altenteil im Innenministerium den guten Onkel; er tapert mit einer bemüht herausgestellten Altersmilde durch den politischen Lebensabend.

Der wahre Horst war ein anderer. »Die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land« - Seehofer, nicht Pegida. »Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt« - Seehofer, nicht nur die NPD. »Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts« - Seehofer, nicht die AfD. Wie gesagt: Die Echokammern haben ein langes Gedächtnis.

Der Aufschwung der Rechten, der Rechtsextremisten in Deutschland, ihre zunehmende Dreistigkeit und Enthemmung haben sicher viele Ursachen. Die hemdsärmelige Haltung der sogenannten bürgerlichen Mitte gegenüber der Gefahr von rechts ist längst nicht die läppischste Ursache. Wie auch die fatale Gleichsetzung von rechts und links. Zwar ermorden Rechtsextremisten seit Jahr und Tag immer wieder Menschen - ob Ausländer, Obdachlose, Linke oder Politiker; zwar veranstalten Rechtsextremisten Hetzjagden auf Migranten; zwar zündeten Rechtsextremisten immer wieder Flüchtlingsheime an. Aber das hinderte die »Leipziger Volkszeitung« nicht daran, in einem Kommentar zu den Thüringer Auseinandersetzungen mit deutlichem Bezug auf AfD und Linkspartei von den »›extremistischen Rändern‹ links und rechts« zu schreiben. »FAZ« und »Welt« veröffentlichten jüngst große Artikel über die angebliche Gefahr von links. »In der Linken haben Feinde der Demokratie großen Einfluss«, teilte die »FAZ« mit. »Offen extremistische Strukturen«, titelte die »Welt« in einem Beitrag über die Linkspartei.

Da weiß man doch: Für diese Blätter steht der Feind links. Sie sollten mal beim NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet nachfragen, der nach den Morden von Hanau in einer TV-Runde das einzig Richtige feststellte: »Der Feind steht rechts.«

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