Mietendeckel Gefahr fürs Klima

Umweltorganisation BUND befürchtet, dass die energetische Sanierung gebremst wird

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

60 Prozent des Energieverbrauchs gehen in Berlin auf Kosten des Heizens. Alternative Wärmekonzepte sind daher dringend notwendig, um die Berliner Klimaziele zu erreichen. Während in Neubaugebieten moderne Heiztechnik und gute Dämmung mittlerweile Standard sind, liege die große ökologische Herausforderung im innerstädtischen Wohnungsbestand. So sieht es Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer der Umweltorganisation BUND. Aktuell fürchtet Heuser allerdings, dass ökologische Sanierungen weitgehend zum Erliegen kommen könnten. »Schon vor dem Mietendeckel war die energetische Sanierung kein durchschlagender Erfolg. Der Mietendeckel macht es noch schwieriger«, sagt Heuser.

Für Bernd Hirschl, Chef des Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), ist klar: »Ohne Wärmewende kann es keine Energiewende geben.« Das IÖW hat jüngst in drei Modellgebieten die Möglichkeiten für die Wärmewende untersucht. In Nord-Neukölln wurde exemplarisch erforscht, inwieweit eine »Transformation der Fernwärme« machbar ist. Dazu hat Hirschl mit seinem Team alle Möglichkeiten der lokalen alternativen Wärmeerzeugung systematisch erfasst und die Auswirkungen auf die Berliner Klimabilanz berechnet. Berücksichtigt wurde neben den fossilen Energieerzeugern auch die Nutzung von Abwärme aus der Neuköllner Kaffeerösterei, von Abwasserwärme aus Kanälen, Flusswärme, Solarthermie und die Erdwärmenutzung.

Doch das Ergebnis der Machbarkeitsstudie ist ernüchternd. Zwar sei es möglich, dass erneuerbare Energien und Abwärme langfristig rund 80 Prozent des Wärmebedarfs decken, so Hirschl. Allerdings »funktioniert eine klimaneutrale Fernwärme im urbanen Raum nur bei gleichzeitiger energetischer Sanierung«. Diese werde allerdings berlin- und bundesweit viel zu wenig vorangebracht. Der bundesweite Gebäudeenergieverbrauch stagniere seit 2012 genauso wie der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmesektor, erklärt Hirschl.

Die Wissenschaftler hatten in drei Szenarien mit Sanierungsraten bei Bestandsgebäuden in Nord-Neukölln von 0,6 Prozent, 1,0 Prozent und 2,0 Prozent gerechnet, wobei selbst zwei Prozent Sanierungsrate die Erfordernisse des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm voraussichtlich nicht erfüllen würden. »Momentan haben wir in Nord-Neukölln Sanierungsraten von 0,6 Prozent oder weniger«, beklagt IÖW-Forscherin Elisa Dunkelberg. Gemeint ist damit der Anteil der Gebäude, die im Jahr energetisch saniert werden. Tilmann Heuser vom BUND vermutet, dass eine Sanierungsrate von 2,6 Prozent pro Jahr nötig wäre, um das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm einzuhalten. Von solchen Werten ist Berlin allerdings weit entfernt. Neben energetischer Sanierung im Bestand, der Nutzung von erneuerbaren Energieträgern, sei die Ausweitung von Verbundnetzen wichtig, um die Wärmewende und damit die Klimawende zu schaffen. In Anbetracht dieser Herausforderungen stelle sich die »zentrale Frage der Förderung«, mahnt Heuser.

Die bestehenden Schwierigkeiten in der Sanierung und die technischen Herausforderungen bei der Nutzung alternativer Energien sorgen laut Dunkelberg für eine ernüchternde Diagnose: »Eine deutliche CO2-Reduktion in der Fernwärme ist bis 2030 zunächst durch den Kohleausstieg und den Ausbau von Gas-Kraft-Wärme-Kopplung möglich.« Ähnlich hatte es eine von Vattenfall und dem Berliner Senat 2019 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie skizziert. Nach dieser Studie sei ein Ausstieg aus der Kohleverbrennung in Berlin bis 2030 machbar. Allerdings solle die Kohle zu zwei Dritteln durch Erdgas ersetzt werden, so dass Erdgas schließlich einen Anteil von 58 Prozent am Wärmemix bekomme. Der Anteil von erneuerbaren Energien und Abwärme könne durch die Nutzung der Abwärme unter anderem aus Müllverbrennung sowie durch die Biomassenutzung forciert werden.

Das Bündnis »Kohleausstieg Berlin« fordert hingegen einen Ausstieg aus der Kohlenutzung bis zum Jahr 2025 und einen 100-Prozent-Anteil erneuerbarer Energien. Das Bündnis schlägt dazu einen gesetzlich festgelegten CO2-Grenzwert im Fernwärmenetz vor.

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