Ihn gab’s nur einmal

Christian Walther erinnert an den Lieddichter Robert Gilbert

Wer weiß schon, dass sich »Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühn«, die famose Übertragung von »My Fair Lady« ins Deutsche, Robert Gilbert verdankt? Ebenso die Gassenhauer »Warum liebt der Wladimir grade mir?«, »Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n«, »Wenn der Vater mit dem Sohne«, »Das gibt’s nur einmal« sowie die heute nicht mehr der Political Correctness entsprechende »Ballade vom Nigger Jim«. Kennen dürfte fast jeder das Lied: »Ein Freund ein guter Freund«, geträllert erstmals von Heinz Rühmann. Willy Fritsch und Oskar Karlweis in der Tonfilm-Operette »Die Drei von der Tankstelle«, 1930 im Gloria-Palast in Berlin uraufgeführt.

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Christian Walther: Ein Freund, ein guter Freund. Robert Gilbert – Lieddichter zwischen Schlager und Weltrevolution.
Ch. Links, 366 S., geb., 30 €.

Unglaublich produktiv war dieser Gilbert. Für über 60 Operetten hat er Libretti geschrieben, für 100 Filme Lieder getextet. Die Comedian Harmonists, Heinz Rühmann, Claire Waldoff, Marlene Dietrich und viele andere große Stars intonierten und interpretierten ihn. Diesen kreativen Künstler, der einst mit den Kommunisten sympathisierte, entreißt dankenswerterweise Christian Walther der Vergessenheit.

Das Vorwort zu dieser einfühlsamen Biografie stammt von Max Raabe, der mit 16, 17 Jahren auf Gilbert stieß und bekennt: »Bis heute zählt er zu meinen Favoriten ... und ist fester Bestandteil meines Repertoires.« Er sei fasziniert von dessen feinsinnigem Humor: »Die Pointen fallen in seinen Texten mit einer großartigen Beiläufigkeit.« Nach 1933 sei Gilbert allerdings die Ironie abhandengekommen. Wen wundert’s, wurde er doch wie viele seiner Kollegen von den Nazis ins Exil getrieben; jene, die es nicht schafften, Hitlerdeutschland rechtzeitig zu verlassen, wurden ermordet, so Fritz Löhner-Beda 1942 in Auschwitz. Gilberts Weg führte über Paris nach New York.

Walther eröffnet seine Biografie mit dem wohl größten Nachkriegserfolg Gilberts, der Premiere von »My Fair Lady« im Berliner Theater des Westens kurz nach dem Mauerbau, im Oktober 1961, bei der US-Luftbrückengeneral Lucius D. Clay, der Regierende Bürgermeister von Westberlin, Willy Brandt, sowie Arthur Brauner, Wolfgang Staudte und Ingrid Bergmann anwesend waren. Der mit stürmischem Applaus bedachte Übersetzer des Musicals fehlte indes. Gilbert blieb in seinem Schweizer Wohnort, schob Krankheit und Flugangst vor. Lediglich einem Freund gestand er den eigentlichen Grund seines Fernbleibens: »Die Sache dort sieht so brenzlig aus, dass man eventuell einen Ulbricht’schen Handstreich auf Westberlin für möglich hält. Warum soll ich mich in Gefahr begeben, der ich - in ähnlicher Weise - früher mal gerade knapp entronnen bin?«

Es war kein geradliniger Weg ins Unterhaltungsgeschäft, obwohl der Vater, Max Winterfeld, der sich das Künstlerpseudonym Jean Gilbert zulegte, selbst ein berühmter Operettenkomponist war. Der Sohn verweigerte sich zunächst dem vermeintlich seichten Metier, das ihn letztlich aber berühmt machen sollte. Nicht nur, weil er dem Volk »aufs Maul« und in die Seele schaute, sondern auch, weil er Spießbürgertum und Scheinheiligkeit gekonnt persiflierte. Auch als er bereits mit Komponisten wie Friedrich Hollaender reihenweise Ohrwürmer kreierte, verfasste er noch Arbeiterkampflieder wie das »Stempellied« (Lied der Arbeitslosen, 1929) zur Musik von Hanns Eisler, durch Ernst Busch zum Klassiker erhoben.

Gilbert engagierte sich gegen die aufkommende faschistische Gefahr in Deutschland und war über Jahrzehnte mit Hannah Arendt befreundet. Walther diskutiert auch Gilberts Judentum und beschreibt seinen Kampf nach der Befreiung vom Faschismus um Entschädigung.

Gut, dass wir dies jetzt alles erfahren. Und gut auch, dass Gilbert, wie er selbst einmal kalauerte, »von Schopenhauer zum Gassenhauer« fand.

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