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Ausgangssperre mit Ausnahmen

Harte Regelungen in der Region zur Eindämmung des Coronavirus beschlossen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg haben nach der gemeinsamen Telefonkonferenz aller Länder und der Bundesregierung am Sonntag harte Regelungen getroffen, um die Verbreitung des Coronavirus zu bremsen. Hauptstädter »haben sich, vorbehaltlich anderweitiger Regelungen dieser Verordnung, ständig in ihrer Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft aufzuhalten«, lautet der Grundsatz. »Das Betreten öffentlicher Orte wird bis zum 5. April 2020 (24 Uhr) untersagt«, formuliert es die Mark in ihrer Verordnung. Beide Länder definieren davon Ausnahmen.

»Es war über mehrere Stunden tatsächlich eine heftige Diskussion«, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) im RBB am Sonntagabend. Sehr einvernehmlich sei dann vereinbart worden, dass man keine komplette Ausgangssperre wolle - weder die Bundesregierung noch die Ministerpräsidenten, so Müller. Dennoch müsse es weitere Einschränkungen der Kontakte geben. »Das haben wir miteinander beschlossen bundesweit.«

Bitte möglichst zu Hause bleiben

Wenn möglich, sollen sich die Menschen der Region in ihrer Wohnung oder einer anderen Unterkunft aufhalten. Berlin hat explizit Obdachlose, die nicht untergebracht sind, von der Verpflichtung ausgenommen.

Es gelten viele Ausnahmen. Dazu zählen unter anderem Beruf und Ehrenamt, medizinische Behandlungen, Einkäufe, Sport und Bewegung an der frischen Luft, landwirtschaftliche Arbeiten, Prüfungen, wichtige Termine bei Behörden oder Gerichten und die individuelle stille Einkehr in Gotteshäusern. Maximal zu zweit darf man unterwegs sein, wenn die Personen nicht aus dem selben Haushalt sind.

Restaurants dürfen nur noch Speisen zum Mitnehmen oder zur Lieferung anbieten, Betriebe mit körpernahen Tätigkeiten wie Friseure, Nagelstudios oder Massagestudios müssen ganz schließen. nic

Die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek begrüßt, dass Rot-Rot-Grün sich an die Bundeslinie hält und für Klarheit sorgt. »Ich habe heute erstmals auf den Straßen gesehen, dass sich wirklich alle an die Regeln halten«, sagt sie zu »nd«. So eine Situation sei nun mal die Stunde der Exekutive. »Und ich habe da Vertrauen.«

Die konkrete Formulierung der Verordnung wird von Teilen der Linken durchaus kritisch gesehen, die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus will sich jedoch erst nach ihrer wöchentlichen Sitzung an diesem Dienstag dazu äußern. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser (Linke) begrüßt auf nd-Anfrage die nun geltende Kontaktbegrenzung. Es sei »aber nicht nachvollziehbar, warum Berlin abweichend von der jüngsten Bund-Länder-Verabredung nun doch eine, wenn auch mit umfangreichen Ausnahmen versehene, Ausgangsbeschränkung nach bayerischem Vorbild beschlossen« habe. »Statt konsequent und gezielt diejenigen zu verfolgen, die weiter zu größeren Ansammlungen zusammenkommen oder gar Corona-Partys in der Öffentlichkeit veranstalten, wird so das Gros der Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt, indem man künftig jegliches Verlassen der eigenen Wohnung gegenüber der Polizei glaubhaft machen muss«, kritisiert er. Nordrhein-Westfalen zeige, dass es auch anders geht. In der dortigen Landesverordnung heißt es schlicht: »Zusammenkünfte und Ansammlungen in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen sind untersagt.«

»Die Berliner Verordnung definiert immerhin erhebliche Ausnahmen für die Ausgangsbeschränkungen«, sagt Bijan Moini, Rechtsanwalt der Gesellschaft für Freiheitsrechte, auf nd-Anfrage. Die Verordnung stehe wie alle Regelungen unter dem riesigen Vorbehalt, dass sie erforderlich ist. »Für uns ist das - und damit die Verhältnismäßigkeit - zurzeit sehr schwer zu beurteilen, weil unklar ist, wie effektiv welche Beschränkungen wirken«, so Moini weiter.

Kritisch sehen könne man allerdings die Mitführpflicht von Ausweisdokumenten in der Berliner Verordnung. »Denn wenn man sowieso raus darf, um zum Beispiel Sport zu treiben oder sich einfach zu bewegen, sollte man eigentlich nicht darlegen müssen, wie man heißt oder wo man wohnt«, so Moini.

Bislang fehlt im Infektionsschutzgesetz auch eine explizite Rechtsgrundlage für die weitreichenden allgemeinen Ausgangsbeschränkungen, moniert Moini. »Deshalb sind die Verordnungen aber nicht automatisch verfassungswidrig. Das wären sie erst, wenn der Gesetzgeber nicht rasch reagiert und eine explizite Rechtsgrundlage schafft«, erklärt der Jurist. »Das sollte er eigentlich noch diese Woche tun - gerade in diesen Zeiten zeigt sich, dass das auch schnell möglich ist«, sagt Moini.

Den Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser treibt noch eine Sache um: »Man kann nur hoffen, dass die Polizei bei der Kontrolle dieser Ausgangsbeschränkungen nicht selbst zur neuen Virenschleuder Nummer Eins wird und so das Gegenteil von dem erreicht wird, was eigentlich bezweckt werden soll.«

Die Polizei wiegelte schon Montagfrüh ab. »Wer heute an die frische Luft will, muss nicht ständig fürchten, in eine Kontrolle zu geraten. Unsere Kolleg. kontrollieren vor allem Gruppen über zwei Personen, in denen deutlich gegen die Abstandsregelung verstoßen wird«, twitterte sie. Zusätzliches Personal soll für die Kontrolle der strengen Ausgangsverbote nicht eingesetzt werde. Man werde weiterhin mit der gleichen Stärke unterwegs sein, sagte eine Sprecherin. In der vergangenen Woche hatten jeweils rund 120 zusätzliche Polizisten in zwei Schichten tagsüber und nachts die angeordnete Schließung von Kneipen und Restaurants kontrolliert. Am Wochenende waren bis zu 300 Polizisten dafür unterwegs.

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