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Solange Google keine Tests anbietet ...
Dr. Schmidt erklärt die Welt
In Krisenzeiten gibt es immer auch Verschwörungstheorien. Manche meinen, dass die vielen Coronatests dem Staat oder den Konzernen nützen würden, weil so ein riesiges Archiv an DNA-Spezialwissen entstehen könnte. Ist so was überhaupt realistisch?
Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort - und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.
Foto: nd/Ulli Winkler
Jein. Sicherlich ist jede biologische Probe, die irgendwo eingefroren aufbewahrt wird, später für Gentests verwendbar. Aktuell suchen die Labors aber nicht nach der DNA, die für den genetischen Fingerabdruck wichtig ist, sondern nach dem Erbmolekül RNA. Denn die konkret aktiven Coronaviren gehören zu den RNA-Viren. Deren Erbgut ist nicht DNA, sondern RNA, die Ribonukleinsäure. Und wo wollen die Labors all die Proben aufbewahren? Das kann sich übrigens jeder fragen, der Blut spendet oder sich Blut abzapfen lässt.
Je mehr Daten, desto besser für den Datenkommerz.
Ja, aber die Testlabors sind eben nicht im Datenkommerz unterwegs. Wenn jetzt, sagen wir mal, Google ins Testgeschäft einsteigen würde, dann hätte ich tatsächlich große Bedenken.
Es gibt auch Gerüchte auf staatlicher Ebene. Trump spricht vom »Chinavirus« und China startet eine Gegenerzählung, die suggeriert, dass die USA den Virus nach China eingeschleppt hätten.
Beide Theorien haben einen gravierenden praktischen Haken: Wenn ich eine Biowaffe entwickele, dann entwickele ich parallel dazu natürlich auch einen Impfstoff oder ein Gegenmittel. Das gibt es aber nicht, sonst würden die Amerikaner nicht krampfhaft Impfstoffentwickler ins Land holen wollen. Wobei auch das umstritten ist; vielleicht war das auch nur ein PR-Gag eines deutschen Ministers? Eine bekannte Verschwörungstheorie in der Endphase des Kalten Krieges handelte vom Aids-Virus. Der DDR-Biologe Jakob Segal lancierte die Theorie, das Ganze sei ein missglückter Biowaffenversuch aus Fort Detrick in den USA. Damals machte Stefan Heym ein Interview mit Segal für die Westberliner »Taz«. Allerdings widersprach auch ein DDR-Genetiker Segal: Professor Geißler aus Berlin-Buch.
Gegenwärtig ist es die größte Verschwörungstheorie zu behaupten, Corona sei nur ein Gerücht.
Das Problem bei alldem ist, dass die Mehrzahl der Menschen extrem schwer mit Ungewissheiten umgehen kann. Man hat gerne sichere Antworten auf klare Fragen. Das ist ja das Pfund, mit dem Populisten wuchern können. Und wir wissen einfach noch viel zu wenig über den Erreger. Wenn du Virologen fragst, dann sagen sie dir in vielen Dingen, das wissen wir noch nicht. Aber wenn du wartest, bis du alles genau weißt, dann hast du möglicherweise den Totalschaden. Wenn du dagegen übertreibst bei der vorbeugenden Aktion, kannst du natürlich auch einen Totalschaden haben: einen wirtschaftlichen.
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