Rechte Netzwerke kenntlich machen
Interventionistische Linke will Übergriffe und Vertuschungsaktionen staatlicher Stellen dokumentieren
»Chemnitzer JVA-Beamter leakt Haftbefehl«, »NPD-Mitglieder im Staatsdienst«, Drohbriefe von Rechten mit vertraulichen Daten aus einen Computer der Polizei. Das sind nur einige Schlagzeilen der vergangenen Monate. Sie sind oft schnell wieder in Vergessenheit geraten. Das will die Kampagne EntnazifizierungJetzt verhindern, die von der Interventionistischen Linken (IL) initiiert wird. Die IL ist eine außerparlamentarische Organisation, deren Schwerpunkte Antifaschismus, Recht auf Stadt und Kampf um soziale Rechte sind.
Die Kampagne startete am Mittwochvormittag. Vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Berlin versammelten sich knapp 20 Personen. In einem Redebeitrag wurden die Hintergründe der Aktion erläutert und erklärt, warum Datum und der Ort gewählt wurden: »Der 8. Mai 1945 gilt als Tag der Befreiung vom NS-Regime, als Tag, an dem die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapitulierte. 2020 markiert den 75. Jahrestag des sogenannten Victory in Europe Day. Er bietet daher eine historische Möglichkeit der Reflexion: Wie steht es in Deutschland wirklich um die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in staatlichen Behörden? Welches Ausmaß haben die rechten Strukturen in den Sicherheitsbehörden angenommen.«
Auf die Frage, warum für die Aktion nicht Büros rechter Parteien und Treffpunkte rechter Organisationen gewählt wurden, betonte Kampagnensprecherin Élodie Arnauld gegenüber »nd«, dass es darum gehe, rechte Kontakte in staatlichen Instanzen und Apparaten deutlich zu machen. »Fast täglich lesen und hören wir von Nazis in Polizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Justiz. Auch wenn uns immer wieder weisgemacht werden soll, es handele sich um Einzelfälle, ist längst klar: Sie bilden dort Netzwerke und nutzen diese Strukturen zur Unterwanderung unserer Gesellschaft«, führte Arnauld aus.
Sie verwies auf zahlreiche Recherchen von Journalist*innen, die immer wieder rechte Kontakte im Behördenmilieu ans Licht gebracht haben. Schnell wird dann von »Einzelfällen« gesprochen. Doch die IL will wissen, ob es sich bei diesen Fällen nicht eher um die Spitze des Eisbergs handelt. Daher ruft sie im Rahmen der Kampagne engagierte Menschen zur Mithilfe auf und startet eine Crowd-Recherche. Unter EntnazifizierungJetzt (https://entnazifizierungjetzt.de/) sollen Fälle von Nazis in der Polizei, der Bundeswehr, dem Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst und der Justiz seit Bestehen der Bundesrepublik bis heute gesammelt werden. Sie sollen dann auf der Kampagnenhomepage sowie auf Twitter und Facebook veröffentlicht werden.
Selbstverständlich werden die gesammelten Nachrichten vorher auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, was Teil der Crowd-Recherche ist. Nur verifizierte Angaben werden veröffentlicht. Einige Daten sind schon auf der Homepage zu finden. So wurden 48 ehemalige Mitglieder des Reichssicherheitshauptamtes genannt, die den Kern des neu gegründeten Bundeskriminalamtes in der BRD in den 50er bis 70er Jahren bildeten. Auch der Verfassungsschutz wurde von ehemaligen NS-Beamten begründet und bespitzelte schon bald wieder Nazigegner*innen. Daher fordern viele Linke auch deren Auflösung. Die Kampagne EntnazifizierungJetzt kann hier Argumentationshilfen liefern.
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