Stoppschild für Massenüberwachung

Bundesverfassungsgericht: Bundesnachrichtendienst darf im Ausland nicht ohne Anlass spionieren

Eine Ohrfeige für die Große Koalition: Wieder einmal hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass ein von ihr erlassenes Gesetz nicht mit dem Grundgesetz kompatibel ist. Der Erste Senat der Behörde gab am Dienstag in Karlsruhe bekannt, die derzeitige Praxis der anlasslosen Massenüberwachung von E-Mails und Telefonaten im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst (BND) verstoße gegen das Grundgesetz. Das Gericht gab einer Beschwerde statt, die unter anderem ausländische Investigativjournalisten und die Organisation Reporter ohne Grenzen eingereicht hatten.

Mit der Entscheidung wird die Bundesregierung verpflichtet, das erst 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (BND-Gesetz) zu reformieren. Bis Ende 2021 habe der Gesetzgeber nun Zeit, die Auslandsaufklärung »verhältnismäßig und mit Kontrollmechanismen neu zu gestalten«, heißt es im Beschluss. Der Vorsitzende des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), Armin Schuster (CDU), zeigte sich nach der Urteilsverkündung zuversichtlich, dass eine Reform des Gesetzes noch vor der Bundestagswahl im September 2021 möglich ist.

Die Richter betonten, auch für Ausländer im Ausland müsse grundsätzlich das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes gelten. Das heißt, dass auch die Vertraulichkeit der Kommunikation von Personen im Ausland vor nicht genau begründeten Zugriffen geschützt werden muss. Außerdem werde die durch Artikel 5 der Verfassung garantierte Pressefreiheit durch die im Gesetz geregelten weitreichenden Befugnisse für den BND verletzt.

Die Beschwerdeführer monierten, dass dadurch Informanten in Gefahr gebracht würden, weshalb sie sich aus Angst vor Repressalien immer seltener Journalisten anvertrauten. Denn autoritäre Regime könnten an sensible Informationen gelangen, weil der BND seine Erkenntnisse auch an ausländische Geheimdienste weitergebe, argumentierten sie.

Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats und designierter Präsident des Bundesverfassungsgerichts, betonte am Dienstag, die Auslandsaufklärung müsse »verhältnismäßig« sein. Das Grundgesetz lasse eine »globale und pauschale Überwachung« dabei nicht zu. Gründe und Gesichtspunkte der Überwachung einer Person müssten im Gesetz klar festgelegt werden. Besondere Berufs- und Personengruppen, die auf vertrauliche Kommunikation angewiesen seien, müssten dabei besonders geschützt werden. Hinsichtlich der Weitergabe von Erkenntnissen an andere Nachrichtendienste forderte das Gericht, der deutsche Gesetzgeber müsse deren »rechtsstaatlichen Umgang« mit den Daten gewährleisten.

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Darüber hinaus verlangt das Gericht die Einrichtung einer unabhängigen »gerichtsähnlichen Kontrolle« der Tätigkeit des BND. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, André Hahn, forderte mit Blick auf den Beschluss: »In jedem Fall muss eine Stärkung der Kontrollmöglichkeiten des Parlaments sofort erfolgen.« Auskünfte in Kontrollgremien und Untersuchungsausschüssen dürften »keinen Tag länger unter Verweis auf die Third-Party-Rule verweigert werden«, erklärte Hahn, der die Linke im PKGr vertritt. Die in der internationalen Geheimdienstkooperation geltende »Dritte-Patei-Regel« besagt, dass, wer Informationen weitergeben will oder soll, den Urheber um Erlaubnis fragen muss. In dessen Ermessen liegt es, dies zu gestatten oder zu verwehren. Unter Verweis auf Sicherheit und Quellenschutz werden Parlamentariern so häufig Auskünfte verweigert.

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