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Was Kaffee bitter macht
Neben Koffein sind weitere Stoffe geschmacksbestimmend.
Bitterer Geschmack hat ein ziemlich schlechtes Image. Da ist von einer bitteren Erfahrung die Rede, wenn etwas gründlich schiefgegangen ist. Oder jemand lebt in bitterer Not. Das negative Image hat durchaus gute Gründe. In der Evolution der Primaten hat sich ein recht differenzierter Geschmackssinn für Bitterstoffe herausgebildet, weil nicht wenige pflanzliche Gifte bitter sind. Probierten unsere Vorfahren eine ihnen bis dato unbekannte Frucht, dann war bitterer Geschmack ein Alarmsignal. Die Bittergeschmackswahrnehmung und der Ekel davor waren also in der Evolution von einigem Vorteil. Babys spucken Bitteres so schnell wie möglich wieder aus.
Doch ausgerechnet einige beliebte Genussmittel sind ziemlich bitter. So auch das nach Wasser beliebteste Getränk der Deutschen: Kaffee. Weltweit ist Kaffee trotz oder auch wegen seines Bittergeschmacks sehr beliebt. Besonders merkwürdig dabei ist, dass jene Menschen, die den bitteren Geschmack des Koffeins besonders intensiv wahrnehmen, meist mehr Kaffee trinken als jene, die diese Bitternote weniger stark empfinden, wie ein Team um Jue-Sheng Ong von der University of Queensland (Australien) schon vor zwei Jahren herausfand. Die US-Forscherin Marilyn Cornelis, Koautorin der damaligen Studie, sieht darin einen Lerneffekt. Kaffeetrinker haben gelernt, dass der Bitterstoff Koffein bei ihnen eine positive Wirkung hervorruft: Wachheit.
Allerdings ist Koffein nicht der einzige Bitterstoff im Kaffee. Eine Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie und der TU München geht dem molekularen Zusammenspiel der verschiedenen Bitterstoffe und ihrer Wirkung auf die Bitterrezeptoren im Detail nach. Das Team um Maik Behrens hatte dazu fünf Bitterstoffe aus Kaffee untersucht. Dazu gehören der in Arabica-Bohnen identifizierte Inhaltsstoff Mozambiosid, dessen Röstprodukt Bengalensol sowie die schon länger bekannten Bitterstoffe Cafestol, Kahweol und Koffein.
Für ihre Untersuchung nutzten sie Zellkulturen, bei denen einzelne Zellen jeweils nur einen der 25 menschlichen Bitterstoffrezeptoren besitzen, sodass die Reaktion des Rezeptors auf die jeweilige Substanz aus dem Kaffee messbar wurde. Mit dieser künstlichen Zunge wurde schon 2010 gezeigt, dass Koffein bei insgesamt fünf Rezeptoren eine Reaktion auslöst. Dagegen regen die vier jetzt untersuchten Bitterstoffe hauptsächlich zwei Bitterrezeptortypen an. Wie Behrens erläutert, sind bei diesen vier Substanzen deutlich geringere Konzentrationen notwendig, um die Rezeptoren TAS2R46 und TAS2R43 zu stimulieren. So sei im Vergleich zu Mozambiosid oder Bengalensol eine etwa 30- bzw. 300-fach höhere Koffein-Konzentration nötig gewesen, um den Bitterrezeptor TAS2R43 in gleichem Maße zu aktivieren, ergänzt Erstautorin Tatjana Lang.
Da das besonders bei dem Röstprodukt Bengalensol zutrifft, bietet die Studie auch eine mögliche Erklärung für die Beobachtung von Kaffeetrinkern, dass zu stark gerösteter Kaffee besonders bitter schmeckt. Behrens gibt allerdings zu bedenken, dass man die Ergebnisse eines Zellkultursystems nicht 1:1 auf die tatsächliche Geschmacksintensität übertragen könne.
Weitere Untersuchungen der Forschenden lassen annehmen, dass sich die im Kaffee enthaltenen Bitterstoffe in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen. Im Experiment weisen Kahweol und Mozambiosid ähnliche Bindungseigenschaften für den Bitterrezeptor TAS2R43 auf. Im Vergleich zu Mozambiosid aktivierte Kahweol den Rezeptor jedoch nur relativ schwach und war in der Lage, die mozambiosid-induzierte Aktivierung des Bitterrezeptors dosisabhängig zu verringern. »Wir gehen daher davon aus, dass Kahweol den über den TAS2R43 ausgelösten Bittergeschmack abschwächen kann, indem es effektivere Bitterstoffe vom Rezeptor verdrängt«, erklärt Behrens, der am Leibniz-Institut die Arbeitsgruppe Taste Systems Reception & Biosignals leitet. Da Cafestol und Kahweol von Kaffeefiltern ausgefiltert werden, ist dieser Effekt für Filterkaffee uninteressant. Bei filterlosen Zubereitungen wie Espresso oder türkischem Kaffee aber könnte die Abschwächung des Bittergeschmacks durch Kahweol eine Rolle spielen.
Die Ergebnisse seien aber auch noch aus anderer Sicht spannend, sagt Behrens und erläutert: »All unsere bisher gewonnenen Erkenntnisse weisen darauf hin, dass die neu untersuchten Bitterstoffe aus Kaffee sehr spezifisch zwei der 25 Bitterrezeptortypen aktivieren. Zudem wissen wir, dass sich beide Rezeptorarten nicht nur in Geschmackszellen finden. So findet sich der TAS2R43 auch im Magen und ist im Zusammenspiel mit Koffein an der Regulation der Magensäureausschüttung beteiligt. Nun stellt sich die Frage, welche Rolle Kaffeeinhaltstoffe wie Bengalensol hierbei spielen könnten, die den Rezeptor bereits in niedrigeren Konzentrationen aktivieren.« Zudem gibt es bei allen 25 Bitterstoffrezeptoren abweichende genetische Varianten, von denen einige Einfluss auf die Wahrnehmung haben. Im Extremfall kann der Rezeptor ganz ausfallen. So haben viele Menschen den Rezeptor TAS2R43 gar nicht, schmecken Kaffee also womöglich ganz anders.
Kaffee ist allerdings nicht das einzige Genussmittel mit bitterem Geschmack. Auch Kakao enthält Bitterstoffe, ebenso Schwarz- und Grüntee. Die sind allerdings noch längst nicht so gut erforscht wie Kaffee.
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